Tik Tok will Gnadenfrist
Von Sebastian EdingerUm das Verbot des Social-Media-Dienstes Tik Tok in den USA doch noch abzuwenden, hat dessen Betreiber, der chinesische Konzern Byte Dance, am Montag Aufschub beantragt. Im April hatte der US-Kongress ein Gesetz beschlossen, das das Unternehmen verpflichtet, sein US-Geschäft bis zum 19. Januar zu verkaufen – andernfalls droht die komplette Abschaltung. Vorgesehen ist in dem Gesetz allerdings auch, dass US-Präsident Joe Biden die Frist um drei Monate verlängern kann. Darauf hofft die Führung des in Beijing ansässigen Unternehmens nun.
Schließlich übergibt Biden am Tag nach Ablauf der Verkaufsfrist die Amtsgeschäfte im Weißen Haus an seinen Vorgänger und Nachfolger Donald Trump. Dieser hatte zwar während seiner ersten Amtszeit selbst vergeblich versucht, Tik Tok gerichtlich verbieten zu lassen. Im zurückliegenden Wahlkampf sprach er sich allerdings gegen ein Verbot beziehungsweise einen Verkaufszwang aus und kündigte an, den Dienst retten zu wollen.
In dem Gesetz vom April wird das Vorgehen gegen die vor allem bei Jugendlichen beliebte Kurzvideo-App mit nationalen Sicherheitsbelangen begründet. Dem Tik-Tok-Mutterkonzern wird eine zu große Nähe zur chinesischen Regierung vorgeworfen, sensible Nutzerdaten könnten weitergegeben werden. Byte Dance selbst hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und argumentiert, Tik Tok sei unabhängig vom Mutterkonzern. Der Hauptsitz liege auf den Cayman Islands und die Unternehmensanteile mit 60 Prozent mehrheitlich in der Hand westlicher Investoren. Zudem sei Byte Dance gegenüber der chinesischen Regierung nicht verpflichtet, Daten weiterzugeben.
Zuletzt war Tik Tok jedoch vor einem Berufungsgericht in Washington mit dem Versuch gescheitert, das Gesetz vom April für nichtig erklären zu lassen. In der Klageschrift argumentierten die Anwälte der Plattform, ein Verbot würde gegen die verfassungsrechtlich verankerte Meinungsfreiheit verstoßen. Die Richter schlossen sich dieser Auffassung allerdings nicht an. Vielmehr entspräche das Vorgehen des US-Kongresses »langjähriger regulatorischer Praxis« und sei kein Versuch, bestimmte Meinungen zu unterdrücken. Auf dem Rechtsweg bleibt noch der Weg vor das höchste Gericht der Vereinigten Staaten, den Supreme Court. Auch um dessen Entscheidung abzuwarten, soll mit dem Aufschub nun Zeit gewonnen werden.
Schließlich wären die Folgen einer Abschaltung für das Unternehmen beachtlich und teilweise nicht wieder rückgängig zu machen. Laut der Klageschrift vom Montag würde man durch eine Sperrung von nur einem Monat ein Drittel der täglichen Nutzer in den USA dauerhaft verlieren. Zudem würde man 29 Prozent der für das kommende Jahr anvisierten globalen Werbeeinnahmen verlieren. Bevor es so weit komme, solle der Oberste Gerichtshof die Gelegenheit haben, »zu entscheiden, ob er diesen außerordentlich wichtigen Fall überprüfen soll«, argumentierten die Tik-Tok-Anwälte.
Bei der einheimischen Konkurrenz auf dem US-Markt für Onlinevideodienste, insbesondere beim Instagram-Mutterkonzern Meta und bei Google, das mit Youtube um junge Kunden buhlt, überwiegen angesichts des politischen Drucks auf Tik Tok Schadenfreude und die Hoffnung auf neue Marktanteile. Tik Tok hat in den USA 170 Millionen Nutzer, sprich: Jeder zweite US-Amerikaner nutzt die Plattform. Die Meta-Aktie erreichte infolge der Abweisung des Widerspruchs gegen den Verkaufszwang Ende vergangener Woche nach einem Wertanstieg um 3,4 Prozent sogar ein Allzeithoch in Höhe von 629,79 US-Dollar (ca. 598 Euro).
Sollte Byte Dance mit dem Antrag auf Aufschub scheitern, wird die Abschaltung im Januar zum wahrscheinlichsten Szenario. Laut Insidern will der Konzern Tik Tok lieber vom US-Markt nehmen, als den Dienst zu verkaufen. Ohnehin sei die Umsetzung des erzwungenen Eigentümerwechsels »einfach nicht möglich«, wie es in der Klageschrift heißt – weder technologisch noch rechtlich. Wenn kein Aufschub gewährt wird, steht außer Frage: »Das Gesetz wird eine Schließung von Tik Tok zum 19. Januar 2025 erzwingen.«
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