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Aus: Ausgabe vom 11.12.2024, Seite 16 / Sport

Nostalgia

Von André Dahlmeyer
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Davon träumte Jack Dempsey sein Leben lang: Luis Ángel Firpo, »Der wilde Stier der Pampas«, in Aktion

Einen wunderschönen guten Morgen! Schon nach zweieinhalb Minuten der ersten Runde im WM-Schwergewichtskampf gegen Jack Dempsey war der argentinische Boxer Luis Ángel Firpo bereits sieben Mal zu Boden gegangen, das roch nach Leichenschauhaus. Doch Firpo dachte gar nicht daran, den Löffel abzugeben. Er wachte urplötzlich auf.

Mehr als sieben Monate lang hatte sich Firpo auf den Kampf vorbereitet, nachdem er im Februar 1923 in New York angekommen war. Ringrichter Jack Gallagher, der später für seinen Job in diesem Kampf sanktioniert wurde und 1930 verarmt starb, glänzte in den folgenden 20 Sekunden des Kampfes durch Fassungslosigkeit. Firpo war wie durch ein Wunder wieder aufgestanden (damals existierte die K.-o.-Regel nach drei Stürzen noch nicht), ließ sich zurückfallen, um seinen Fäusten Auslauf zu gewähren. Und dann legte der Argentinier los wie ein angefahrenes Reh. Dempsey hing in den Seilen. Sein Gesicht wurde von Schlagattacken im Nähmaschinentakt entstellt. Firpos Rechte war letal. Dempsey flog zwischen den Seilen durch und fiel über den Journalisten Jack Lawrence und dessen Schreibmaschine. Lawrence und seine Kumpels bugsierten den Campeón rasch wieder hinauf in den Ring, komplett illegal. Justitia ist auch im Boxbusiness vollpfostenblind. Das Anzählen soll gar nicht mehr aufgehört haben.

Luis Ángel Firpo wurde 1894 in Junín im Norden der Provinz Buenos Aires geboren, 1920 wurde er Südamerikameister bei den schweren Jungs. Als er im Vorfeld des WM-Fights gegen Dempsey am 12. März 1923 in den USA Bill Brennan adäquat verprügelte, bekam er medial den Beinamen »Der wilde Stier der Pampas«. Jack Dempsey war 28 Jahre jung, hatte 52 Kämpfe gewonnen und verteidigte zum fünften Mal den Titel. Er war ein Weltstar, und vier Tage vor dem Kampf erschien er am 10. September auf dem Titel von Time. Geboxt wurde im zweckentfremdeten Polo-Grounds-Stadion (»The Bathtub«) vor 80.000 blutgeilen Zuschauern. Über 20.000 kamen nicht mehr hinein. Firpo hätte gar nicht boxen dürfen, sein linker Musikantenknochen war gebrochen.

Im gelbfiebergeplagten Buenos Aires war auch das Boxfieber ausgebrochen. Die Nachrichten trafen an diesem 14. September als telegraphisches Stückwerk ein, wurden auf Kreidetafeln in den Straßen verbreitet, über ein Radio verfügten nur Superreiche. Die einzigen, die den Kampf aus New York übertrugen, waren LOX Radio Cultura. Der Geschäftsmann Domingo Pace stellte sein Privatstadion in Corrientes 1066 zur Verfügung und knöpfte den Hörbegierigen pro Nase 50 Centavos ab. Dieses Stadion hieß Luna Park. Es ist bis heute der Boxtempel Lateinamerikas.

Nach Firpos neuntem Sturz war Schluss. Dempsey boxte erst drei Jahre später wieder und verlor, wurde C-Schauspieler. Beide boxten nie wieder wie in jener Nacht. Es war der Kampf ihres Lebens gewesen. 1954 lud Firpo den Ami auf eine seiner Estancias in Rosario ein, mästete ihn mit Mate und Asado. Im selben Jahr, nur zwei Monate später, wurde Pascual Pérez in Japan gegen Yoshio Shirai der erste argentinische Boxweltmeister. Firpo starb 1960, Dempsey 1983.

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