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Aus: Ausgabe vom 14.12.2024, Seite 10 / Feuilleton
Folk

Alles Kunst, alles echt

Innovationen des Folk: Das Hink-Festival in Den Haag
Von Frank Schwarzberg
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Ist das noch Folk? Egal, denn es ist die großartige Vera Sola

Viel innovative Musik der jüngsten Zeit kommt – ausgerechnet – aus dem Folk. Bands wie Lankum aus Irland mischen die ausgegrabenen Weisen mit Rock, Ambient, Noise, kreieren Ungehörtes. Es ist dieser Ansatz, Folkmusik als Ausgangspunkt für neue klangliche Erfahrungen zu begreifen, der der Programmauswahl des Hink-Festivals in Den Haag zugrunde lag.

Lankum sind nicht dabei, aber mit John Francis Flynn, Rachael Lavelle und Brigid Mae Power ist die Dubliner Fraktion in dem zwölf Acts fassenden Line-up stark vertreten. Flynn ist ein vollbärtiger Hüne mit langen Haaren. Er hat einen mächtigen Bariton, wird unterstützt von einem Multiinstrumentalisten an Keyboard und Percussion. Rachael Lavelle sieht aus wie eine kreuzbrave Abiturientin. Im Geiste einer Julia Holter erschafft sie mit Schlagzeugerin, Keyboarder und allerlei Effekten kunstvolle Soundcollagen, aus denen sich dann wieder Rhythmen und glasklare Melodien schälen. Ihr Gesang ist betörend, mitunter gewaltig. Bei Brigid Mae Power ersetzen Stimme bzw. Stimmführung Orchester oder Band. Nur mit Akustikgitarre bewaffnet, entspricht ihr Auftritt wohl am ehesten Folk, wie man ihn kennt. Mitunter muss man an den ungebändigten Gesang Van Morrisons denken, freilich ein paar Töne heller.

Es ist ein Festival der großen Stimmen. Die von Vera Sola hat ein warmes, dunkles Timbre, wohldosiert setzt Sola ihr Vibrato ein, ruhig oder laut, mit schneidender Schärfe. Ist das noch Folk? Egal. »Wir haben keine Zeit zum Reden, wir haben nur die eine Stunde. Ich habe so viel mehr Energie«, leitet sie ihr Set Punkt 21 Uhr ein, es folgt ein Rockgewitter zum Ausflippen mit tollen Spannungs- und Melodiebögen.

Ihre Band ist ein Glücksfall, zumal in dieser Zusammensetzung. Etwa Kenneth Pattengale, Koproduzent der aktuellen Platte: Wer ihn mit den Milk Carton Kids gesehen hat, weiß, dass er einer der fabelhaftesten Gitarristen und Sänger weit und breit ist. Diesen Abend sitzt er am Keyboard, singt Harmonie oder spielt die zweite Leadgitarre, flächig, atmosphärisch. An der ersten Leadgitarre: Anthony da Costa, selbst ein intensiver Songwriter. Seine Licks und Soli brechen aus den Songs hervor und verschwinden wie Wetterleuchten. An den Drums ein flexibles Uhrwerk namens Wyatt Bertz, am Bass Songwriter Elvis Perkins.

Als Vera Sola zum Schluss die Band vorstellt, muss sie, als sie bei Perkins angekommen ist, kurz schlucken. Er war es, der sie vor Jahren eingeladen hatte, Bass in seiner Band zu spielen. »Er sah etwas in mir, das ich selbst noch nicht erkannt hatte«. Was sieht er jetzt?

John Francis Flynn: »Look Over the Wall, See the Sky« (River Lea)
Rachael Lavelle: »Big Dreams« (Rest Energy)
Brigid Mae Power: »Dream From the Deep Well« (Fire Records)
Vera Sola: »Peacemaker« (City Slang)

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