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Aus: Ausgabe vom 18.12.2024, Seite 8 / Inland
Bezahlkarte für Geflüchtete

»Wir können gern eine für Politiker einführen«

Hessen: Bündnis hilft Geflüchteten, trotz Bezahlkarte an Bargeld zu kommen. Ein Gespräch mit Desiree Becker
Interview: Gitta Düperthal
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Soll optisch nicht weiter auffallen: Eine Bezahlkarte für Geflüchtete, wie sie in Baden-Württemberg ausgegeben wird (Offenburg, 17.1.2024)

Auch das von CDU und SPD regierte Bundesland Hessen führt aktuell die Bezahlkarte für Asylsuchende ein, mit der keine Überweisungen ins Ausland möglich sind. Der verfügbare Bargeldbetrag liegt bei 50 Euro. Dagegen wendet sich das Bündnis »Hessen sagt nein zur Bezahlkarte« und kündigt an, die Karte mit Umtauschaktionen aushebeln zu wollen. Was ist geplant?

Ich selbst bin im Wechselstuben-Bündnis in Gießen aktiv. Die Bezahlkarte soll für die derzeit bis zu 2.000 Bewohner der dortigen, größten Erstaufnahmeeinrichtung in Hessen zuerst eingeführt werden. Zunächst will man die Karten an neu ankommende Flüchtlinge ausgeben. Denn es wird nicht einfach sein, Menschen, die dieses System bisher nicht kennen, zu erklären, warum sie jetzt kaum noch Bargeld erhalten und keine Überweisung mehr tätigen können sollen. Weil die neuen Geflüchteten nach einem Ortswechsel bei dem System bleiben sollen, soll es parallel dazu in anderen Städten beginnen.

Asylsuchende sollen in den Wechselstuben Einkaufsgutscheine in Bargeld eintauschen können, die sie in Supermärkten oder Drogerien per Kartenzahlung erwerben. Wer macht mit und wie können Betroffene davon erfahren?

Aktive verschiedener Initiativen werden jetzt in Gießen Gutscheine eintauschen. Wir erstellen Listen solidarischer Menschen, die sich bereit erklären, regelmäßig einen bestimmten Betrag einzutauschen. In der Nähe der Erstaufnahme gibt es ein Zentrum zur Beratung, wo sich Geflüchtete informieren können. Das System funktioniert so: Ein Geflüchteter löst etwa in einem Supermarkt mit seiner Karte einen Gutschein ein und tauscht ihn dann in der Wechselstube in Bargeld. So kann er wie deutsche Staatsbürger über Geld verfügen.

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein, CDU, betonte, die Karte sei ein »wichtiges Instrument«, um sogenannte irreguläre Migration zu begrenzen.

Wir können gern eine Bezahlkarte für Politiker einführen, damit sie erleben, wie das so läuft. Im Ernst: Wie die Karte vermeintlich »irreguläre« Migration einschränken soll, ist nicht nachvollziehbar. Menschen fliehen vor Kriegen, Naturkatastrophen, politischer Verfolgung, weil sie ihr eigenes Überleben und das ihrer Familie bedroht sehen. Sie sagen sich nicht: »Au ja, ich fliehe mal nach Deutschland, weil es keine Bezahlkarte gibt.« Eine solche Vorstellung ist Unfug. Bedenklich ist, dass Politiker mit solch irriger Vorgabe rechte Narrative bespielen. Mit dem Versuch, Menschen, die ein rassistisches Gedankengut haben, als Wähler zu gewinnen, bestärken sie diese in ihrer Auffassung. Für die Behörden ist die Umstellung auf die Karten bürokratischer Aufwand und teuer. Für Geflüchtete stellt es eine Einschränkung ihrer Menschenrechte dar. Ob das rechtlich durchgeht, ist nicht geklärt. Sollte es gelingen, Geflüchtete so einzuschränken: Was kommt als Nächstes? Will man Menschen im Sozialleistungsbezug so überwachen? Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass die Bezahlkarte schnell wieder eingestampft wird.

Der hessische AfD-Fraktionsvorsitzende Robert Lambrou warnte vor »Sabotage« durch das linke Bündnis. Er forderte die Landesregierung auf, den Erwerb von Gutscheinen über die Bezahlkarte technisch und rechtlich auszuschließen. Schüchtert Sie das ein?

Überhaupt nicht. Wir treten für Freiheits- und Menschenrechte ein. Das Argument, Schleppern so das Handwerk zu legen, ist absurd. Mit 50 Euro ist Fluchthilfe nicht zu finanzieren. Erwachsene Asylsuchende in einer Unterkunft erhalten nur etwa 182 Euro, junge Menschen noch weniger.

In Bayern ist die Gegenwehr gegen die Bezahlkarte erfolgreich angelaufen. Wie wirkt die Partei Die Linke in Hessen nun mit?

In Städten hat Die Linke Sozialsprechstunden, wo es organisiert werden kann. Weil wir nicht wollen, dass es an Wechselstuben langes Schlangestehen gibt, veranstalten wir das Einwechseln der Gutscheine mit den solidarischen Haushalten getrennt davon.

Desiree Becker ist Landesvorsitzende der Partei Die Linke Hessen

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