Türkei bricht Waffenruhe
Von Nick BraunsEineinhalb Wochen nach dem Sturz des syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad hat der Flughafen in der syrischen Hauptstadt Damaskus am Mittwoch seinen Betrieb wieder aufgenommen. Eine Maschine nach Aleppo hob von dem Flughafen ab, der jetzt von dem aus der Al-Qaida hervorgegangenen islamistischen Machthaber kontrolliert wird.
Im EU-Parlament in Strasbourg forderte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen derweil, die gegen Syrien gerichteten Sanktionen zu überdenken, um den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes zu erleichtern. »Vorher müssen wir echte Fortschritte hin zu einem inklusiven politischen Prozess sehen«, so die Politikerin. Während der Chef der in Damaskus herrschenden Islamistenallianz HTS, Abu Mohammed Al-Dscholani, hier mit Blick auf westliche Förderer Läuterung vorgibt, macht die mit der HTS verbündete, aber unter direktem türkischen Kommando stehende »Syrische Nationale Armee« (SNA) keinen Hehl aus ihren Eroberungsabsichten in den kurdischen Siedlungsgebieten im Norden des Landes.
Ein durch Truppenkonzentrationen westlich und östlich von Kobani vorbereiteter Großangriff der türkischen Armee und SNA auf die kurdische Stadt scheint zwar nicht vom Tisch, aber zumindest vertagt worden zu sein. So wurde Dienstag abend unter Vermittlung der in Kobani präsenten US-Armee eine Waffenruhe zwischen der Türkei und den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDK) bis Ende der Woche ausgehandelt. »Wir wollen nicht, dass eine Seite die gegenwärtig instabile Lage nutzt, um die eigenen Interessen auf Kosten der übergeordneten nationalen syrischen Interessen voranzutreiben«, erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums mit Blick auf den NATO-Partner Türkei. Allerdings meldeten die SDK am Mittwoch dutzende Luft- und Bodenangriffe der Türkei und ihrer Söldner nahe Kobani und Ain Issa sowie dem Tischrin-Staudamm. Ziel der Türkei sei weiterhin die »Besetzung der Region und die Vertreibung der Bevölkerung«, warnte SDK-Sprecher Farhad Schami daher auf X.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (19. Dezember 2024 um 10:43 Uhr)Wenn ein einstiger Terrorist wie Abu Mohammed al-Julani plötzlich wieder seinen zivilen Namen Ahmed al-Sharaa verwendet, den wilden Bart, die Tarnjacke und den Turban gegen Anzüge und eine akkurate Gelfrisur eintauscht, dann scheint für den Wertewesten die Lage in Syrien akzeptabel zu sein. Doch der neue Machthaber Sharaa steht vor der gewaltigen Aufgabe, aus der Asche der Assad-Diktatur einen neuen Staat zu formen. Sein Ziel: das Etikett »Terrorist« um jeden Preis loszuwerden. Aber kann das wirklich genügen? Nur weil die Islamisten nicht Assad sind, bedeutet das nicht automatisch, dass sie als Heilsbringer taugen. Sollte man also mit ehemaligen Terroristen verhandeln? Das Beispiel Afghanistan lehrt: Es lohnt sich kaum. Doch welche Alternativen gibt es? Und gibt es überhaupt eine realistische Lösung für Syrien? Dieses strategisch und geopolitisch bedeutende Territorium am Mittelmeer hat Auswirkungen auf die gesamte Region. Für den Westen und Israel könnte sich hier die Chance bieten, die Verhältnisse im Nahen Osten zu stabilisieren. In den vergangenen Jahren haben Russland und Iran Syrien genutzt, um ihren Einfluss in der Region auszuweiten. Der Westen sollte diese Gelegenheit ergreifen, die syrischen Rebellen dazu zu bewegen, den geopolitischen Ambitionen Moskaus und Teherans eine klare Absage zu erteilen – und auch die Türkei in die Schranken zu weisen. Eines steht fest: Der Kampf um Syrien ist längst nicht vorbei.
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