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Aus: Ausgabe vom 19.12.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Mayotte

Neokoloniale Ignoranz

Mayotte: Unterstützung für die notleidende Bevölkerung trifft erst langsam ein
Von Bernard Schmid
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Eine der dringlichsten Notfallaufgaben auf der durch den Zyklon »Chido« verwüsteten Inselgruppe Mayotte besteht darin, die Trinkwasserversorgung wiederherzustellen. Seit vier Tagen lebt ein beachtlicher Teil der offiziell 320.000, real wohl eine knappe halbe Million umfassenden Inselbevölkerung ohne Zugang zu frischem Wasser, während die Tagestemperaturen bis zu 35 Grad Celsius betragen. Ein Teil der Einwohner ging dazu über, aus Flüssen oder verschütteten alten Brunnen aus vormoderner Zeit zu trinken, was wiederum das Risiko der Ausbreitung von Krankheiten erheblich erhöht.

Am Mittwoch nachmittag war in elf von 17 Kommunen der Hauptinsel die Versorgung über die Wasserhähne wiederhergestellt. Andernorts fehlte es sowohl am Wasser im Haushalt als auch am Zugang zu käuflichen Trinkwasserflaschen. 158 Tonnen Hilfsgüter wurden am Mittwoch von der ebenfalls zu Frankreich zählenden Insel La Réunion in 1.400 Kilometern Entfernung aus verschifft und sollen am Samstag abend oder Sonntag früh auf dem Seeweg auf Mayotte eintreffen. Die Hälfte der Container enthält Trinkwasser. Am Flughafen ist der Kontrollturm durch Sturmschäden ausgefallen.

Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die zum Teil chaotische Krisenverwaltung forderte der von Mayotte stammende Senator Saïd Omar Oili am Mittwoch. Dabei müsse geklärt werden, warum Hilfe zunächst so spärlich eingetroffen sei. Bei einer Interviewsendung am Dienstag früh monierte der französische KP-Vorsitzende Fabien Roussel – dessen frühere Schwiegerfamilie auf Mayotte wohnt –, dass ausländische Hilfe bislang ausgeschlagen worden sei. Die USA hatten technische Unterstützung angeboten, darauf war die französische Regierung bislang nicht eingegangen. Das bitterarme Nachbarland Mosambik, das selbst 45 Sturmtote zu beklagen hat, entsandte spontan Lebensmittelhilfen.

Tageszeitung junge Welt am 26. Februar mit Beilage »(Post-)Kolonialismus«

Der am 13. Dezember neuernannte Premierminister François Bayrou, der sich dazu entschieden hat, neben seinem neuen Amt auch Bürgermeister der südwestfranzösischen Stadt Pau zu bleiben, flog am Montag abend mit dem Präsidentenflugzeug der Marke Dassault »Falcon« nach Pau und schwänzte dafür einen Teil der Pariser Krisenstabssitzung zu Mayotte. Dieses vielbeachtete Fernbleiben des französischen Regierungschefs, der statt dessen zu einer Sitzung seines Kommunalparlaments flog, trug ihm harsche Kritik ein.

Innenminister Retailleau wiederum hielt sich während der ersten Hälfte der Woche auf Mayotte auf, sieht jedoch wiederum eine seiner Hauptaufgaben darin, nun zur Vertreibung eines Großteils der »illegal« dort lebenden Komorer von der Insel zu blasen. Man müsse »die Migrationsfrage lösen« und »viel härter zu den Komorern« sein, rief Retailleau auf Mayotte. »Die Schande« titelte die linksliberale Tageszeitung Libération dazu, von »politischer Vereinnahmung der Katastrophe« sprach die Zeitung Le Huffington Post, und die KP-nahe L’Humanité monierte, er habe im Angesicht einer verwüsteten Insel anscheinend nichts Dringlicheres zu tun, als »seinen üblichen Obsessionen nachzugehen«.

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