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Aus: Ausgabe vom 19.12.2024, Seite 16 / Sport
Schach

»Ich habe einiges nachzuholen«

Schachweltmeister in der Altersklasse 65 plus. Ein Gespräch mit Rainer Knaak
Von Sören Bär
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In der zweiten Jahreshälfte lief es prächtig für den 71jährigen Leipziger Schachgroßmeister Rainer Knaak. Anfang August siegte er mit famosen acht Punkten aus neun Partien beim Arber-Open in Bodenmais. Die EM in der Altersklasse 65 plus im norditalienischen Lignano Sabbiadoro beendete er Anfang November auf dem Bronzerang. Doch sein größter Triumph gelang ihm knapp vier Wochen später bei der WM 65 plus in Porto Santo (Portugal): Mit 8,5 Punkten aus elf Partien wurde er ungeschlagen Champion.

Herzlichen Glückwunsch zum WM-Titel! Was bedeutet er Ihnen?

Ich freue mich sehr darüber. In gewisser Weise sehe ich ihn auch als eine späte Genugtuung. Als ich 1969 und 1970 jeweils den DDR-Meistertitel U 18 gewann, wäre ich für die Juniorenweltmeisterschaften qualifiziert gewesen, doch die DDR-Sportführung hatte beschlossen, die Schachförderung einzuschränken. So durfte ich damals nicht teilnehmen. Bei den Seniorenwelt- und -europameisterschaften treffe ich heute auf viele meiner Altersgenossen. Es ist schön, mit ihnen die Klingen zu kreuzen. Ich habe einiges nachzuholen …

Zwischen EM und WM lagen nur zwei Wochen. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Ich habe meine EM-Partien analysiert und tägliches Taktiktraining betrieben. Außerdem habe ich mir einige Varianten angesehen. Ich spiele jetzt viele verschiedene Eröffnungen, um weniger ausrechenbar zu sein. Die ganz konkrete Vorbereitung auf den Gegner kann aber immer erst vor Ort nach der Auslosung erfolgen. Im Anschluss an die Bekanntgabe meines Kontrahenten habe ich mich abends eine Stunde und am Vormittag noch einmal eineinhalb Stunden präpariert. Um in guter körperlicher Verfassung anzutreten, gehe ich in Leipzig regelmäßig mindestens dreimal pro Woche ins Fitnessstudio. Vor Ort luden 20 Grad Celsius am Tag und ein schöner langer Sandstrand zum Laufen ein.

Gegen den Georgier Surab Sturua mussten Sie bei der EM Ihre einzige Niederlage hinnehmen. Diesmal gelang Ihnen die Revanche. Sie spielten als Schwarzer gegen die Rubinstein-Variante 4.e3 im Nimzo-Inder und damit gewissermaßen gegen sich selbst. Wie sind Sie an die Partie herangegangen?

Bei der EM war ich beeindruckt von Sturua, der souverän agierte und nie in Gefahr geriet. In unserer dortigen Partie verpasste ich eine Ausgleichsfortsetzung, und danach verwertete er seinen Vorteil überzeugend. Er wurde verdient Europameister. In Porto Santo war es umgekehrt. Sturua hatte frühzeitig eine vorteilhafte Position gegen den Brasilianer Jaime Sunye Neto noch verloren und war weniger gut in Form. Die interessante Variante 5…c6 gegen 5.Sge2 habe ich erst kurz vor der Partie ausgegraben. Ich dachte mir, dass er dieses Abspiel wahrscheinlich nicht so gut kennt.

Am Tag darauf haben Sie eine weitere Schlüsselpartie gegen Ihren ehemaligen Chessbase-Kollegen Ľubomír Ftáčnik gewonnen.

In unseren Partien steht eigentlich immer Grünfeld-Indisch zur Debatte, wenn ich Weiß habe. Diesmal hat Ftáčnik aber 2…e6 statt 2…g6 gezogen und versucht, meiner Vorbereitung auszuweichen und mich zu überraschen. Doch das ging nach hinten los, denn die von mir gewählte Variante mit 7.Lf4 und 8.e3 kannte er nicht so gut. Im 17. Zug hat er nicht auf e4 geschlagen, weil er fürchtete, dass später eine weiße Figur auf dem geschwächten Feld e6 landen könnte. Aber das wäre das geringere Übel gewesen, denn nach meinem Nehmen auf f5 konnte ich gegen seinen Bauern f5 spielen. Dann lief es ziemlich glatt für mich.

Gab es kritische Momente auf dem Weg zum Titel?

Im fünften Durchgang gewann ich eine Marathonpartie nach 89 Zügen gegen Daniel Rivera aus Uruguay. Mit der spielerischen Qualität war ich nicht zufrieden, aber durch diesen hart erkämpften Punkt hielt ich Kontakt zur Spitze. Der Silbermedaillengewinner Alexander Michalewski aus Israel hatte in Runde sechs gegen mich leichten Vorteil, als er sich verrechnete und einen Turm opferte. Ich konnte die Attacke widerlegen und gewinnen. In der Vorschlussrunde gegen den kolumbianischen Großmeister Alonso Zapata war es angenehm, als Nachziehender keine ungerechtfertigten Risiken eingehen zu müssen. Ich hatte sogar gute Gewinnchancen, aber das Unentschieden reichte mir, um die Tabellenführung zu behaupten.

Was sind Ihre Pläne?

Bei der Seniorenmannschafts-WM im Februar werde ich im Team der Lasker Schachstiftung GK spielen. Nachdem wir im letzten Jahr den WM-Titel errungen haben und 2022 die EM gewannen, wollen wir bei der Vergabe der Medaillen wieder ein Wort mitreden. Im ­April steht dann die Mannschafts-EM an.

Rainer Knaak – Ľubomír Ftáčnik, Senioren-WM, Runde 9, Porto Santo, 26.11.2024, Modernes Benoni

1.d4 Sf6 2.c4 e6 (Grünfeld-Experte Ftacnik möchte sich nicht zeigen lassen, in welcher Variante man ihm diesmal eine Neuerung gegen seine Lieblingsverteidigung serviert.) 3.Sc3 c5 4. d5 exd5 5.cxd5 d6 6.Sf3 g6 7.Lf4 (Am 31. Juli gab der Leipziger beim Arber-Open in Bodenmais gegen den Inder Gusain dem Fianchetto 7.g3 Lg7 8.Lg2 0-0 9.0-0 a6 10.a4 Sbd7 11.Lf4 den Vorzug.) 7…Lg7 8.h3 (Ein messerscharfes Abspiel ergäbe sich nach 8.Da4+ Ld7 9.Db3 b5!? [9…Dc7] 10.Sxb5 Lxb5 11.Dxb5 Sbd7 12.Lxd6 Se4 13.Le5 0-0 14.Lxg7 0-0 15.Da4 Tb8 16.Dxe5 Da5+ 17.Sd2 Txb2 18.Td1 +/- wie in Iwantschuk-Norwood, EU-ch U21, Arnheim 1987.) 8…O-O 9.e3 De7 (Boris Spasski setzte im Duell zweier künftiger Weltmeister gegen Michail Tal bei der U-20-Mannschaftsmeisterschaft der UdSSR 1954 mit 9…Se8 fort, um durch …f7-f5 Gegenspiel einzuleiten. Nach 10.Le2 Sd7 11.0-0 Se5 12.Lxe5 dxe5 13.Sd2 f5 14.Db3 Sd6 15.Sc4 e4 +/= entstand eine zweischneidige Position, die Spasski letztlich gewann.) 10.Sd2 Sbd7 (10…Sh5 11.Lh2 f5 12.Le2 Sf6 war eine Alternative.) 11.Le2 Se5 12.O-O a6 13.a4 Tb8 14.Te1 Sfd7 15.Lg3 f5 16.f4 Sf7 17.e4! (Nach sorgfältiger Vorbereitung erfolgt dieser Vorstoß nun um so kräftiger.) 17…Dd8? (Pflicht war 17…fxe4 18.Sdxe4 Ld4+ 19.Kh1 Sf6.) 18.exf5! (Damit wird der Bauer f5 als permanente Schwäche markiert.) 18…gxf5 19.Ld3! +/- Sf6 20.a5 b5 21.axb6 Txb6 22.Sc4! (Dieser Rappe strebt nach c6.) 22…Tb4 23.Sa5 Ld7 (Der Bauernraub 23…Txb2? geht nach 24.Sc6 Dc7 25.Te7 Ld7 26.Lxf5 +- bzw. 24…Db6 25.Sa4 +- schlecht für den Nachziehenden aus.) 24.Sc6 Lxc6 25.dxc6 Dc8 26.Df3 c4 27.Lf1 Kh8 28.Te7 d5 29.Sxd5 Dxc6? (Damit stellt Ftáčnik die Partie endgültig ein. Doch auch nach 29…Txb2 30.Lxc4 Se4 31.c7! sollte Weiß den Sieg davontragen.) 30.Sxb4 Dc5+ 31.De3! +- (Hatte der Slowake übersehen, dass Weiß damit sowohl das Schach parieren als auch den Turm e7 decken kann?) 31…Dxb4 32.Le1! Dd6 (32…Dxb2 33.Lc3 +-) 33.Lc3 Sd5 34.Lxg7+ Kxg7 35.Dd4+ Kg8 36.Ta7 (36.Txf7! Txf7 37.Lxc4 Td7 38.Txa6 +- oder 38.Ta5 +- transformiert den Vorteil in einen Figurengewinn. Der Partiezug gewinnt ebenfalls sicher.) 36…Sxf4 37.Dxd6 Sxd6 38.T7xa6 Se4 39.Lxc4+ Kg7 40.Tb6 1:0

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