24 Tage im »Bunker«
Von Fabian Linder, AugsburgZwei Monate nach Bekanntwerden der Folter- und Misshandlungsvorwürfe in der bei Augsburg gelegenen JVA Gablingen kommen neue Details ans Licht. Bislang war vor allem bekannt, dass Gefangene teils ohne zwingenden Grund, ohne ausreichende Ernährung sowie ohne Decke, Matratze und Tageslicht deutlich länger als drei Tage in »besonders gesicherten Hafträumen« (BgH), auch »B-Zelle« oder »Bunker« genannt, im Keller der JVA untergebracht waren. Eine Antwort des bayerischen Justizministeriums auf eine Anfrage der Grünen im bayerischen Landtag bestätigt nun, dass einzelne Betroffene bis zu 24 Tage am Stück in diesen B-Zellen untergebracht waren.
Die B-Zellen, welche angeblich suizidgefährdete Häftlinge oder Dritte schützen sollen, zeichnen sich durch die spartanische Unterbringung mit einer nicht entflammbaren Schlafstätte und Papierunterhosen statt Kleidung aus. Die Unterbringung dürfe jedoch nur so lange aufrechterhalten werden, wie diese zweckmäßig ist, betonte das Justizministerium in seinem Schreiben, da diese »einen gravierenden Grundrechtseingriff« darstellt, der als letztes Mittel zur »Abwehr von Gefahren« gelte.
Durch den Brief einer ehemaligen Anstaltsärztin waren die Missstände dem Ministerium bereits seit über einem Jahr bekannt. Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft waren darüber hinaus zwischenzeitlich eingestellt worden. Erst im Oktober griffen die Ermittlungsbehörden ernsthaft ein, durchsuchten die Einrichtung und verhängten Betretungsverbote. Darunter ist auch die freigestellte Leiterin und ihre mittlerweile suspendierte Stellvertreterin. Gegen insgesamt 17 Bedienstete wird unter anderem wegen Körperverletzung im Amt und Strafvereitelung ermittelt, da bei drei Bediensteten der Verdacht besteht, sie könnten Akten geschreddert haben.
Kritik kommt neben Gefangenenverbänden auch aus dem bayerischen Landtag. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen, merkte an, dass das Ministerium aufgrund der Meldepflichten bei einer mehr als drei Tage andauernden Unterbringung in den besonders gesicherten Hafträumen den sprunghaften Anstieg und die exzessive Anwendung in Gablingen mitbekommen haben muss. Es sei zu fragen, wofür es Meldepflichten und Beschwerdestellen gebe, »wenn man bei derartigen Entwicklungen nicht umgehend eingreift?«
Eine Statistik des Justizministeriums verzeichnet für die fünf B-Zellen in Gablingen in der Zeit von 2018 bis 2022 zwischen 55 und 65 Unterbringungen pro Jahr. Im Jahr 2023 sowie im laufenden Jahr verdoppelten sich die Unterbringungen schlagartig. In den Fokus rückt damit vor allem die stellvertretende Leiterin der JVA, die Ende 2022 ihren Dienst antrat. Auch, weil sich eine Vielzahl der Vorwürfe konkret gegen ihre Person und ihr Vorgehen innerhalb der JVA richten.
Als Reaktion auf die Vorkommnisse in der Gablinger JVA kündigte der verantwortliche Justizminister Georg Eisenreich (CSU) zwar den Einsatz einer Kommission an, die im Januar damit beginnen soll, Richtlinien zu erarbeiten, nach denen Häftlinge im Freistaat in den speziellen Haftzellen untergebracht werden sollen. Für die Landtagsopposition dürfte das allerdings noch zu wenig sein.
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