»Niemand liebt dich«
Von Thomas BehlertDamit die Familie zu Weihnachten ruhig bleibt und die eingeladenen älteren Herrschaften nicht vom Glauben abfallen, braucht es die passende musikalische Untermalung. Hier wären wir lieber vorsichtig. (jW)
Madsen: »Die Weihnachtsplatte« (Goodbye Logik)
Äußerlicher Eindruck: Ein brennender Weihnachtsbaum leuchtet vor einem verwaschenen Schwarz. Freunde der Punkmusik dürfen sich angesprochen fühlen.
Musikalische Leistung: Selbstgebackene Weihnachtslieder, die zwischen betrunkenen Rhythmen, etwas härter geschlagenen Gitarren und knalligen Gewummere pendeln. Elf Songs über das Fest, äußere Begebenheiten (»Weiße Weihnacht«) und den Menschen im traurigen Allgemeinen (»Niemand liebt dich«).
Fazit: Wer Kinderpunk mag und mit ungewöhnlichen Weihnachtsliedern das Fest der Liebe ordentlich auseinandernehmen möchte, kann hier zugreifen. Ansonsten überflüssig.
*
»Schlager für alle: Weihnachten« (Telamo)
Äußerer Eindruck: Unterscheidet sich kaum von anderen Schlagerzusammenstellungen. Das Cover zeigt kleine bearbeitete Bildchen der Sänger und eine langweilige Schrift. Leider fehlt der aus dem Fernsehen gewohnte Kitsch.
Musikalische Leistung: Gleich drei Tonträger wurden vollgemacht (!). Alle, die in den vergangenen Wochen bei Silbereisennebelhertel playback spielten, sind hier erneut vereint. Die immer gleichen Weihnachtslieder werden gesäuselt und gestöhnt, zuvorderst das herrlich bescheuerte »Ram Tam Tam«. Auch dabei: »Leise rieselt der Schnee«, »Weißer Winterwald«.
Fazit: »Ewiges Glück« für Schlagerfreunde. Alles sehr überflüssig.
*
»RTL-Weihnachtshits« (More)
Äußerer Eindruck: Ein lustiger Weihnachtsmann lenkt vom musikalischen Elend ab. Der Hintergrund ist in seltsames Blau getaucht.
Musikalische Leistung: Wieder sind die alten Weihnachtsliederstollen auf einem Sampler vereint. Frank Sinatra, Roy Black, Bing Crosby, Doris Day und Dean Martin, niemand kann uns retten. Es werden gegeben: »Let it Snow«, »Leise rieselt der Schnee«, »Jingle Bells« und »White Christmas« sowie für alle ostdeutschen Weihnachtsmützen der Dieter von den Puhdys mit »Matrosenweihnacht«.
Fazit: Schon beim Hören vergessen. Überflüssig wie Sau.
*
Albert Hammond: »Christmas« (Earmusic)
Äußerer Eindruck: Das schmierigste Cover des Winters. Der Vokuhila steht in voller Pracht. Hammond hält ein rotes Buch in den Händen. Der Märchenonkel liest uns die letzte Friseurrechnung vor.
Musikalische Leistung: Wenn Sängern nichts mehr einfällt und drei »Best-of« schon erschienen sind, veröffentlichen sie eben ein Weihnachtsalbum. Im »Free Electric Band«-Sound tröpfeln »Jingle Bells«, »Mary Boys Christmas«, »White Christmas« und das markzersetzende »Last Christmas« aus den Boxen.
Fazit: Ein alter Songwriter (geb. 1944) geht selbst ans Mikrofon, da viele Künstler, für die er Lieder schrieb, verstorben sind: Whitney Houston, Tina Turner, Art Garfunkel (fast). Wer ihm die Rente aufbessern will, nur zu. Ansonsten: Finger weg! Weil, Sie ahnen es schon: überflüssig.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Mehr aus: Feuilleton
-
Das Ohr muss vergnügt sein
vom 23.12.2024 -
Magdeburg
vom 23.12.2024 -
Weihnachtsmarkt
vom 23.12.2024 -
Nachschlag: Tyger! Tyger!
vom 23.12.2024 -
Vorschlag
vom 23.12.2024 -
Zeige deine Süchte
vom 23.12.2024