»Es hat eine Ausgrenzung stattgefunden«
Interview: Susanne KnütterDer Streik beim Bundesanzeiger dauert an. Hat das Unternehmen in der letzten Streikwoche vor Weihnachten erneut Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt?
Diesmal hat das Unternehmen komplett auf den Einsatz von Leiharbeitern und Leiharbeiterinnen verzichtet. Am Montag nachmittag ist die Begründung des Urteilsspruchs des Arbeitsgerichts Köln vom 13. Dezember den Parteien zugestellt worden. Wir gehen davon aus, dass sich der Bundesanzeiger die Hinweise in dem Urteil sehr genau angesehen hat. Die Geschäftsführung hat jedenfalls mitgeteilt, dass sie erst einmal auf den Einsatz von Leiharbeitern verzichte.
Das Arbeitsgericht hat die Klageabweisung inhaltlich begründet?
Ja, das Arbeitsgericht hat in der Urteilsbegründung ausgeführt, was die wesentlichen Punkte des Verfahrens gewesen wären. Und dass es auch zu der Einschätzung komme, dass die Leiharbeiter vermutlich in einem rechtmäßigen Arbeitskampf eingesetzt werden würden. Das ist rechtswidrig nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Mit einer erneuten einstweiligen Verfügung würden wir wahrscheinlich inhaltlich recht bekommen.
Wie steht es um die Streikbeteiligung in der Auseinandersetzung um den ersten Tarifvertrag beim Bundesanzeiger?
In der vergangenen Woche streikten etwa 60 Leute. Von den insgesamt 720 Beschäftigten sind 120 Leiharbeiter. Wenn die nicht eingesetzt werden, können wir von 180 Menschen ausgehen, die die Arbeit nicht wahrgenommen haben.
Das klingt trotzdem nicht nach einer hohen Streikbeteiligung.
Die war deutlich höher zu Beginn. Da haben wir mit 115 Streikenden angefangen. Aber nach fast zehn Monaten Streik ist der finanzielle Druck bei dem einen oder anderen sehr hoch. Mittlerweile, das schildern einige Kolleginnen und Kollegen, halten sie auch den Druck psychisch nicht mehr aus. Im Betrieb hat eine Ausgrenzung der Streikenden stattgefunden.
Ging die von der Belegschaft oder der Leitung aus?
Sowohl von Kollegen, die sich noch nie am Streik beteiligt haben, als auch vom Arbeitgeber. Wir haben erfahren, dass Angestellte, die nicht streiken, höhere Lohngruppen und Zulagen erhalten haben. Das sind Faktoren, die Menschen, die finanziell auf das Geld angewiesen sind, dazu bewogen haben, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.
Eine Rolle dürfte auch die fehlende Berichterstattung über den Streik spielen.
Ja. Zum DuMont-Konzern gehört nicht nur der Bundesanzeiger, sondern unter anderem auch der Kölner Stadtanzeiger und der Kölner Express. Und das sind die entscheidenden Medien in Köln und Umgebung. Sie haben zu keinem Zeitpunkt über die Tarifauseinandersetzung berichtet. Wir sind viel über soziale Medien gegangen, aber es kann eine gute Berichterstattung der Tagespresse nicht ersetzen.
Wurde das im Vorfeld einkalkuliert?
Wir haben mit einkalkuliert, dass es schwierig sein würde, eine Öffentlichkeit herzustellen. Allerdings konnte sich keiner von uns ausmalen, dass die Streikbewegung so hartnäckig und so langwierig sein wird.
Haben Sie eine Reaktion aus Berlin wahrgenommen?
Wir haben alle Kanäle zu nutzen versucht. Sehr frühzeitig haben wir sowohl das Bundesjustizministerium als auch das Bundesfinanzministerium angeschrieben. Denn das sind die Hauptauftraggeber für den Bundesanzeiger. Wir haben vom damaligen Finanzminister Christian Lindner und vom damaligen Justizminister Marco Buschmann fast gleichlautende Schreiben zurückbekommen. Mit dem Tenor, dass man sich in laufende Tarifverhandlungen nicht einmischen wird. Vom Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann gab es Versuche, mit der Geschäftsführung ins Gespräch zu kommen. Ohne Erfolg.
Erfolge gibt es trotzdem?
Bereits vor Monaten ist eine unserer Streikenden fristlos gekündigt worden, weil sie angeblich während einer Streikmaßnahme vor dem Haus einen anderen Mitarbeiter durch Pfeifen mit einer Trillerpfeife geschädigt haben soll. Das Arbeitsgericht in Köln hat am Mittwoch unserer Klage auf Kündigungsschutz recht gegeben. Die fristlose Kündigung musste zurückgenommen werden.
Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Ich habe noch nie solch eine Gruppe von Streikenden mit soviel Elan, Mut und Solidarität erlebt. Ernüchternd ist, dass ein Unternehmen, das hoheitliche Aufgaben für die Bundesrepublik erbringt, sich Verhandlungen komplett verweigert. Und dass man das durchgehen lässt, finde ich mehr als empörend.
Dagmar Paasch ist Verdi-Fachbereichsleiterin in NRW
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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