Am falschen Standort
Von Kristian Stemmler
Knapp eine Woche nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg mit fünf Toten und bis zu 235 Verletzten ist nach Angaben des Direktors der Magdeburger Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie dort kein Patient mehr in Lebensgefahr. Von den insgesamt 72 dort behandelten Verletzten seien die meisten bereits nach Hause entlassen worden, sagte der Notfallmediziner am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung. Von den 15 Schwerstverletzten, die instabil das Krankenhaus erreichten, hätten alle stabilisiert werden können, darunter einige Kinder. Die häufigsten Verletzungen bei den Anschlagsopfern waren demnach mehrfache Knochenbrüche der Arme und Beine, aber auch des Beckens mit hohem Blutverlust.
Der aus Saudi-Arabien stammende Psychiater Taleb A. war mit einem schweren BMW-SUV über den Weihnachtsmarkt gerast. Der 50jährige war seit langer Zeit vor allem online im Milieu rechter »Islamkritiker« unterwegs; dem deutschen Staat warf er zuletzt vor, die »Islamisierung« Europas zu betreiben. Die Behörden scheinen sich gleichwohl entschlossen zu haben, hier nicht von einem politischen Motiv auszugehen. Die Nachrichtenagentur dpa meldete bereits am Montag abend unter Berufung auf »Sicherheitskreise«, es gebe Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Täters. Aus diesem Grund wird das Ermittlungsverfahren vorerst weiter in Sachsen-Anhalt geführt. Der für politisch motivierte Kriminalität zuständige Generalbundesanwalt hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt.
Um so intensiver wird darüber diskutiert, ob behördliche Fehler die Tat begünstigt haben. Bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg liegt eine Strafanzeige gegen die Stadt und gegen die Polizeiinspektion Magdeburg vor, wie das Innenministerium Sachsen-Anhalts am Mittwoch bestätigte. Dabei gehe es unter anderem um ein Polizeifahrzeug, das sich nicht an einem vorgesehenen Standort befunden habe. Dieses Fahrzeug sollte offenbar die von A. als Zufahrt zum Weihnachtsmarkt genutzte Lücke zwischen den Betonpollern sperren.
Zum Zeitpunkt des Anschlags seien Polizeifahrzeuge an den vier festgelegten Standorten um den Weihnachtsmarkt postiert gewesen, teilte das Ministerium mit. Nach dem Stand der Ermittlung habe sich aber ein Polizeifahrzeug in einer Taxiparkbucht befunden und »damit nicht an dem nach der polizeilichen Einsatzkonzeption vorgesehenen Standort«. Überprüft werden laut Ministerium auch Fragen zum Sicherheitskonzept des Veranstalters des Weihnachtsmarkts. Eine lückenlose Sicherheit vor solchen Anschlägen sei nicht möglich, sagte derweil der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy.
Am Montag abend hatte in Magdeburg eine AfD-Kundgebung mit der Parteivorsitzenden Alice Weidel stattgefunden. Dass A. die AfD immer wieder bejubelt hatte, spielte dabei keine Rolle. Wer die Bürger des Landes verachte, das ihm Asyl gewähre, »der gehört nicht zu uns«, rief Weidel aus. Während der Veranstaltung, an der nach Polizeiangaben rund 3.500 Menschen teilnahmen, wurde immer wieder »Abschieben! Abschieben! Abschieben!« skandiert. Etwa ebenso viele Menschen beteiligten sich an einer Gegenveranstaltung, bei der eine Menschenkette gebildet wurde. In den vergangenen Tagen berichteten Betroffene über eine Häufung von Übergriffen auf Menschen mit Migrationshintergrund in Magdeburg. In erster Linie handelt es sich dabei um Beleidigungen; es kam allerdings auch zu einigen körperlichen Angriffen.
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Es ist ein Unding. Staatliche Organe missachten deutliche Hinweise auf mögliche schwere Straftaten eines Arztes, der bereits in Mecklenburg-Vorpommern und Bernburg mehrfach auffiel und Taten androhte. Totalversagen ist den zuständigen Sicherheitsbehörden in Magdeburg vorzuwerfen. Wie kann eine Rettungsgasse geöffnet und ungesichert sein und somit die Zufahrt auf den Weihnachtsmarkt problemlos ermöglichen. Die Tragik: 5 Tote und über 200 Verletzte. In Deutschland geschahen seit 2006 18 Anschläge mit schlimmen Folgen. Anlass genug, mit der latenten Gefahr sorgsam umzugehen.