Diskriminierte Versicherte
Von Jens WalterDas kennen viele, sich ganz weit hinten anstellen müssen in der (virtuellen) Warteschlange: Vor allem ordinäre Kassenpatienten kennen das. Einen zeitnahen Termin beim Facharzt zu bekommen, ist nahezu unmöglich, allenfalls als Notfall – oder halt als Privatversicherter. Klarer Fall also, ein Fall von Zweiklassenmedizin mitten in Deutschland.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) muckt nun auf, fordert ein Ende der Diskriminierung von gesetzlich Versicherten. »Wer echte Gleichbehandlung will, sollte dafür sorgen, dass bei der Terminvergabe nicht mehr danach gefragt werden darf, ob jemand gesetzlich oder privat versichert ist«, wurde die stellvertretende GKV-Chefin Stefanie Stoff-Ahnis am Donnerstag auf dem Onlineportal vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zitiert. Und: »Wenn sie auf ein Buchungsportal gehen und als gesetzlich Versicherte einen Facharzttermin suchen, bekommen sie einen in sechs Wochen oder noch später angeboten. Klicken sie dagegen ›Privatpatient‹ an, klappt es schon am nächsten Tag.« Weiter betonte Stoff-Ahnis: »Die Diskriminierung der gesetzlich Versicherten gegenüber Privatpatienten bei der Terminvergabe werden wir nicht länger hinnehmen.«
Stoff-Ahnis sagte ferner, 90 Prozent der Menschen in Deutschland seien gesetzlich versichert. »Da ist es mehr als gerechtfertigt, dass es künftig bei der Terminvergabe zu 100 Prozent um die medizinische Notwendigkeit geht und nicht darum, ob jemand GKV- oder PKV-versichert ist.«
Bloß, wie kann im Gesundheitssystem gewissermaßen entdiskriminiert werden? Stoff-Ahnis hat da eine Idee. Sie fordert beispielsweise bei der Terminvergabe eine gesetzliche Verpflichtung für alle Arztpraxen, freie Termine tagesaktuell einem Onlineportal zur Verfügung zu stellen, auf das die gesetzlichen Kassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen zugreifen können. Dieses solle für gesetzliche Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen zugänglich sein, um eine transparente Vergabe sicherzustellen.
Neu ist die Debatte um den gleichberechtigten, terminierten Zugang zu Facharztpraxen nicht. Noch in der großen Koalition hatte 2018 der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigt, Abhilfe schaffen zu wollen, berichtete T-Online am Donnerstag. »Privat und gesetzlich Versicherte müssen in Zukunft gleich schnell einen Arzttermin bekommen können«, habe er damals in einem Zeit-Interview gesagt. Passiert ist aber seitdem wenig bis nichts.
Bereits im Mai vergangenen Jahres war erneut Kritik an der unterschiedlichen Behandlung laut geworden. Der Deutschen Stiftung Patientenschutz zufolge warteten gesetzlich Versicherte oft 30 Tage oder länger auf einen Arzttermin. Der Wegfall der Neupatientenregelung habe die Lage zusätzlich verschärft, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Die Terminservicestellen, die als Ersatz für die Neupatientenregelung geschaffen wurden, hätten die Situation nicht verbessert, bemängelten die Patientenschützer.
Hinzu kommt: Mindestens 51 von mehr als 90 gesetzlichen Krankenkassen erhöhen im kommenden Jahr ihre Zusatzbeiträge, berichtete der MDR am Montag auf Basis einer Auswertung des Vergleichsportals »Check 24«. Betroffen sind demnach knapp 44 Millionen Mitglieder. Der Anstieg bewege sich zwischen 0,4 und 1,9 Prozentpunkten. Eine Kehrtwende sei nicht in Sicht, prognostiziert Stoff-Ahnis. Im Gegenteil: »Die Ausgaben steigen auch im kommenden Jahr ungebremst weiter, so dass dann weitere Beitragserhöhungen drohen.«
Das heißt wohl: Kassenpatienten müssen immer mehr für ihre gesetzliche Versicherung blechen – und bleiben ganz hinten in der Warteschlange stehen.
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