Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 04. / 5. Januar 2025, Nr. 3
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 31.12.2024, Seite 4 / Inland
Anschlag in Magdeburg

Tödliches Behördenversagen

Innenausschuss des Bundestags tagt zu Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt. Parteien bemühen sich um Schadensbegrenzung
Von Karim Natour
4_NEU.JPG
Der Täter war der Polizei bereits vor dem Anschlag bekannt (Magdeburg, 20.12.2024)

Eine Woche nach dem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt, bei dem fünf Personen getötet und über 200 verletzt wurden, bemühen sich die Parteien um politische Schadensbegrenzung. Knapp zwei Monate vor den vorgezogenen Parlamentswahlen im Februar ist der Anschlag besonders brisant – daher will man der Wählerschaft eine klare Botschaft senden: Wir kümmern uns!

So traf sich am Montag der Innenausschuss des Bundestags zu einer Sondersitzung. Auch das Parlamentarische Kontrollgremium, das die deutschen Geheimdienste überwachen soll, kam wegen des Vorfalls zusammen. Beide Gremien tagten nicht öffentlich. Im Zentrum der Sitzung des Innenausschusses, bei der auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Fragen stellen wollte, sollte dabei das Versagen der Behörden stehen. Denn der Täter, ein seit 2006 in Deutschland lebender Arzt aus Saudi-Arabien, der online gegen den Islam polemisierte, war bekannt. Sogar von ausländischen Geheimdiensten sollen Hinweise und Warnungen eingegangen sein. Auch die Chefs des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND und des Bundeskriminalamts BKA sowie die Magdeburger Oberbürgermeisterin sollten an der Sitzung teilnehmen.

Vor der Sitzung forderten zahlreiche Parlamentarier die Aufklärung der Hintergründe des Anschlags. Andrea Lindholz (CSU) sagte, es müsse geklärt werden, ob die Behörden ausreichend gut vernetzt gewesen seien, und verlangte mehr Speicherbefugnisse bei IP-Adressen. Der FDP-Politiker Konstantin Kuhle sprach sich indessen gegen mehr Befugnisse für Behörden aus, denn diese hätten bereits viel gewusst, es sei aber nichts passiert. Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen, erwartete für die Sondersitzung des Innenausschusses eine »umfassende Aufarbeitung«. »Wir erwarten, dass die genauen Geschehensabläufe vor, während und nach der Tat, die Informationsflüsse und Verantwortlichkeiten genauestens dargestellt werden«, erklärte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag). Ihr Parteikollege Konstantin von Notz erklärte, es müsse am Ende des Prozesses einen politischen Verantwortlichen geben, der Täter sei durch »wüsteste Drohungen« bekannt gewesen. Sebastian Hartmann, SPD-Politiker und Mitglied im Innenausschuss, erwartet eine längere Aufklärung; wegen der »Monstrosität« der Tat sei mit weiteren Ausschusssitzungen zu rechnen.

Die Bundesregierung will indessen noch keine Konsequenzen ziehen. Statt dessen sollten zunächst die Ermittlungen der Behörden abgewartet werden, erklärte Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich zuletzt dafür aus, den Polizeibehörden und Geheimdiensten mehr Befugnisse zu erteilen. Entsprechende Gesetzesänderungen – ursprünglich vorgeschlagen nach dem Anschlag in Solingen im August – sollten so rasch wie möglich beschlossen werden. Nach dem Messerangriff mit drei Toten hatte die damalige Ampelregierung Maßnahmen vorgeschlagen, unter anderem um die Befugnisse der Sicherheitsbehörden weitreichend auszuweiten. Die Union hatte das sogenannte Sicherheitspaket jedoch blockiert, weil es ihr nicht weit genug gegangen war. Bereits am Sonntag hatte CSU-Chef Markus Söder wegen des Anschlags in Magdeburg eine »Zeitenwende« für die »innere Sicherheit« mit erweiterten Befugnissen und flächendeckender Überwachung gefordert. Auch der SPD-Kovorsitzende Lars Klingbeil hatte sich für umfassende Gesetzesverschärfungen ausgesprochen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (31. Dezember 2024 um 08:04 Uhr)
    Man kann mit diesen Diskussionen die Vergangenheit nicht mehr ändern. Meist geht es auch nicht darum, etwas für die Gegenwart und die Zukunft zu lernen. Aber man kann sie wundervoll nutzen, um dem politischen Gegner ans Schienbein zu treten. Und das Volk endlos mit etwas beschäftigen, was eh nicht mehr zu ändern ist. Damit es nicht darauf kommt, an Dinge zu denken, die durchaus zu ändern wären.

Ähnliche:

  • Markus Söder will Massenüberwachung im öffentlichen Raum (Münche...
    30.12.2024

    Anschlag als Vorwand

    Vor Bundestagswahlen: Söder fordert wegen Angriff auf Magdeburger Weihnachtsmarkt Massenüberwachung. Parteien streiten über Ukraine-Unterstützung
  • Bundespräsident Steinmeier hat – wie erwartet – das Parlament au...
    28.12.2024

    Neuwahl kann kommen

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier löst Parlament auf und macht Weg für Bundestagswahl im Februar frei

Regio:

Mehr aus: Inland