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Aus: Ausgabe vom 02.01.2025, Seite 8 / Ansichten

Staatsterror

UN-Bericht zu Gaza
Von Arnold Schölzel
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Trauer und Verzweiflung angesichts der Tötung eines achtjährigen Kindes durch die Besatzungsarmee (Gaza, 1.1.2025)

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte als Institution und die Vereinten Nationen insgesamt sind seit langem bei den Regierungen Israels unbeliebt. Sie verkörpern trotz aller Mängel Rechtsprinzipien, insbesondere den Gleichheitsgrundsatz für Staaten und Individuen. Deren Festschreibung war ein Ergebnis des Kampfes der Antihitlerkoalition – insofern eine antifaschistische Errungenschaft, von der sich die regierenden Zionisten seit Jahrzehnten verabschiedet haben. Israel ist der einzige Staat, der straflos jede UN-Resolution missachten kann – weil und solange er die USA im Rücken hat. Die Freundschaft zwischen Donald Trump und Benjamin Netanjahu dürfte das Einvernehmen steigern. Das sind schlechte Aussichten fürs Völkerrecht, vor allem aber für Palästinenser: Denn der israelische Feldzug gegen Gaza seit Oktober ist genozidal.

Der Bericht, den der amtierende UN-Menschenrechtskommissar, der Österreicher Volker Türk, am Silvestertag vorlegte, enthält eine Fülle von akribisch zusammengetragenen Fakten, die den Völkermordvorwurf erhärten. Die massenhafte Ermordung von Patienten, medizinischem Personal und Zuflucht suchenden Zivilisten folgt allein dem Ziel, so viele Palästinenser wie möglich umzubringen, weil sie Palästinenser sind. Die Dokumentation des UN-Menschenrechtsbüros lässt keinen anderen Schluss zu.

Die Verrenkungen der Bundesregierung und der Parteien von AfD bis Die Linke, um die Einstufung als Genozid abzuwehren, laufen angesichts des Grauens, das auch dieser Bericht vermittelt, auf Inhumanität, auf Rassismus hinaus. Von doppelten Standards im Hinblick auf den Ukraine-Krieg nicht zu reden: Vom Schlächter Netanjahu redet hierzulande niemand. Das sagt so ziemlich alles über die kolonialistisch-rassistische Haltung, die Israel und seine Unterstützer eint. Das wird innerhalb der UN-Mitgliedstaaten registriert und dürfte – anders als in den Jahrzehnten seit der Gründung Israels und dem Besatzungsregime seit 1967 – nicht ohne Folgen bleiben. Noch vor wenigen Jahren, nach dem Untergang der Sowjetunion, rückten die USA und ihre willigen Helfer regelmäßig aus, um in einem Krieg nach dem anderen nicht unbotmäßige, sondern bereits potentiell unbotmäßige Staaten zu zertrümmern – vorwiegend im sogenannten globalen Süden. Damit scheint es vorerst vorbei – mit der Ausnahme des vorläufigen Sieges in Syrien. Türk selbst wies im April im Spiegel darauf hin, dass dem Waffeneinsatz der westliche Impfnationalismus in der Pandemie folgte und zudem die ärmeren Staaten mit dem Klimawandel allein gelassen werden.

Die Duldung des israelischen Staatsterrors ist ein Ausdruck des Ungleichheits-, also globalen Unrechtsregimes und besonders gravierend. Das bedeutet Widerstand, auf den der Westen nicht vorbereitet ist. Kolonialistischer Staatsterror ist vor allem kurzsichtig.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Horst-Peter Metz aus Wuppertal (2. Januar 2025 um 10:09 Uhr)
    Lieber Genosse Schölzel, so sehr ich andere Beiträge von dir oft schätze, muss ich beim Thema Israel immer etwas einwenden: Ja, der Staatsterror Israels ist kurzsichtig und insofern für das Land selbst »kontraproduktiv«. Dass er aber angeblich ein Genozid ist, ist auch hier nicht hinreichend begründet. Der Satz: »Die massenhafte Ermordung (…) folgt allein dem Ziel, so viele Palästinenser wie möglich umzubringen weil sie Palästinenser sind. Die Dokumentation des UN-Menschenrechtsbüros lässt keinen anderen Schluss zu« enthält eben keine weiteren Ausführungen und insofern keinen Nachweis, dass das so ist. Man weiß über diese Dokumentation nichts. Dass das Kriterium für Genozid ist, dass er geschehen muss, allein weil die jeweilige Bevölkerungsgruppe eben dieser Nationalität anhängt, also um ihrer selbst willen, scheint bei dir angekommen zu sein, so dass du dich dagegen wappnest. Allerdings ohne das geringste Zitat dieser Dokumentation. Bitte: Was soll das?!
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (2. Januar 2025 um 16:54 Uhr)
      Angesichts eines Massenmordes Haare zu spalten: Ist das wirklich notwendig?
  • Leserbrief von A.G. (2. Januar 2025 um 04:57 Uhr)
    1) Wenn es sich faktisch bereits um einen Völkermord handelt, was gibt es da noch zu »erhärten«? Die 45.000 Toten sind grobe Schätzungen mangels Zugangs zu den Leichen unter den Ruinen. Deshalb gibt es Ärzte, die von absehbar 450.000 Toten sprechen: https://www.theguardian.com/commentisfree/article/2024/sep/05/scientists-death-disease-gaza-polio-vaccinations-israel Der ICJ hat von einem »plausiblen Fall« von Völkermord gesprochen. Das hatte Tausende polit. Gründe. Nicht zuletzt der Druck, der von den Regierungen ausgeübt wurde, war gewiss nicht ganz ohne. Dann saß auch noch ein israelischer Richter bei, der sogar in einigen Fällen mit »Ja« stimmte. Im Vorfeld wurde eine Richterin ersetzt etc. Man stelle sich vor, die Polizei sagt nach einem Mord in der Nachbarschaft: »Ihnen wird der plausible Mord ihres Nachbarn angelastet.« Volker Türk ist bei aller Liebe zur UN ein Apparatschik. Zur Erinnerung: Craig Mokhiber, der Chef der Abt. für Menschenrechte in New York, schrieb bereits vier Wochen (!) nach dem Beginn des Massakers seinen dramatischen Brand- und Kündigungsbrief, an Türk. Den kann man hier nochmal nachlesen (Paywall) www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/462308.krieg-in-nahost-ein-fall-von-v%C3%B6lkermord-wie-aus-dem-lehrbuch.html?sstr=craig%7CMokhiber Oder hier: https://www.telepolis.de/features/Im-Gazastreifen-werden-tausende-Zivilisten-ermordet-9352862.html (Ein Glück, dass das ein TP-Text nach 2021 ist!)
    2) Zum möglichen Missverständnis, dass vor Jahrzehnten alles irgendwie doch besser war: Tariq Ali und Rashid Khalidi: https://newleftreview.org/issues/ii147/articles/the-neck-and-the-sword Chris Hedges und Rashid Khalidi: https://scheerpost.com/2023/12/04/chris-hedges-report-the-war-on-palestine-has-gone-on-for-over-100-years/ Und 2 Gespräche mit Ilan Pappé: www.jungewelt.de/artikel/488470.israel-ist-nicht-%C3%BCberlebensf%C3%A4hig.html Useful Idiots Podcast: https://www.youtube.com/watch?v=hLMtDPqtPUA

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