Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 03.01.2025, Seite 10 / Feuilleton
Rock

Isch bin een Tunt

Unsung Heroes (29): Zeltinger Band
Von Frank Schäfer
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Die guten alten 80er: Jürgen Zeltinger (r.) und Bernhard Brink

Die Zeltinger Band war zunächst so eine Art Kölner Karnevalsscherz, den einige Musiker der Krautrocklegende Can zu recht so komisch fanden, dass sie der Chaostruppe zur ersten Platte verhalfen. Holger Czukay stand der Band beratend zur Seite, und Jaki Liebezeit spielte sogar eine Zeitlang Schlagzeug für den kurzatmigen, glatzköpfigen Lederschwulen Hans Jürgen Maria Zeltinger. Wie freiwillig, darüber streiten sich die Geister. »Ich kannte ihn von der Straße«, erzählt sein früher Mitstreiter, Gitarrist Arno »(Ist ja alles) Supergut, ne?« Steffen. »Der Zeltinger war damals immer zwangsrekrutierend unterwegs. Er hatte eine Band, und wen er gut fand, der wurde gezwungen, bei ihm zu spielen. Es hieß: Ab morgen spielst du in meiner Band, sonst gibt es Ärger.«

De Plaat, wie er von den Freunden und Strichern genannt wurde, nimmt die komische Sache jedenfalls sehr ernst. Tatsächlich verraten die kölschen Texte einen burlesken, anarchischen Witz, den man 1979 auf hochdeutsch vielleicht noch nicht so einfach hätte auf Platte pressen können. »Isch bin een Tunt / Bin kernjesund, / Mein Popo der ist ja noch so wund, / Wat soll isch mache, wat soll isch tun?« singt Zeltinger im »Tuntensong« selbstbewusst von einem schwulen Leben, das man damals allenfalls in den Metropolen führen konnte.

Das wäre musikalisch nur halb so interessant, wenn er nicht mit den beiden Gitarristen Peter Gramen und Ralf Engelbrecht, Norbert Zucker am Bass und Jaki Liebezeit bzw. bald darauf Cay »Kanalratte« Wolf am Schlagzeug eine richtig gute Liveband um sich geschart hätte. Ihr Mix aus Rhythm and Blues und Garagenrock geht ziemlich nach vorne los, insofern war es vielleicht untypisch, aber gar nicht so abwegig, gleich mit einem Livealbum auf den Markt zu kommen. Ihre eingekölschten Coverversionen alter Hits von Lou Reed (»Stüverhoff«), Peter Kraus (»So wie ein Tiger«) oder den Ramones (»Müngersdorfer Stadion«) sind gut gewählt und hübsch verdorben, aber Eigenkompositionen wie »Panzerfahrer« stehen dem in nichts nach. Die Gitarren sind etwas zu clean, aber im Grunde schlummert hier ein Metalsong, den spätere Zeltinger-Formationen, etwa mit Alex Parche, dann nur zu einem solchen erwecken müssen. Man höre sich nur mal die Version von »Voila! Leck Ens Am Arsch …« (2003) an.

Nach den beiden nicht minder guten Studioalben »Schleimig« (1980) und »Der Chef« (1982) mit ewigen Klassikern wie »Asi Mit Niwoh«, »Knochen« oder »Mallorca, Sommer, Sonne, Herzinfarkt« verliert Zeltinger seinen Major Deal, offenbar weil ihm der Ruhm zu Kopf steigt. Er wohnt in Köln im obersten Stock eines Luxus-Apartment-Turms, unten ist seine Stammkneipe. Er hat immer eine Knarre dabei, und wenn sein Lover nach oben kommen soll, weil der Chef Sehnsucht nach ihm hat, schießt er einfach aus dem Fenster. Zeltinger wird unberechenbar, jedenfalls für ein Major Label. Von dieser Karrieredelle erholt er sich nie mehr so richtig. Er macht weiterhin regelmäßig Platten und kommt irgendwann wirklich beim Metal an, aber kanonisch sind nur die ersten drei Alben.

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