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Aus: Ausgabe vom 03.01.2025, Seite 16 / Sport
Schach

Jeans-Gambit

So lief es bei den Weltmeisterschaften im Schnell- und Blitzschach in New York
Von Sören Bär
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Ein-Mann-Jeansteam: Magnus Carlsen

»Jeans on« ist eine Hitsingle von David Dundas aus dem Jahr 1976, während »Forever in Blue Jeans« von Neil Diamond 1979 die oberen Regionen der Charts erreichte. Die beiden Tracks bildeten den Soundtrack der Schnell- und Blitzschach-WM in New York. Weltranglistenspitzenreiter Magnus Carlsen (Norwegen), 2023 mit Doppelgold dekoriert, schaffte im Rapidturnier in den ersten fünf Partien nur mäßige 2,5 Punkte. Ein Zwischenspurt katapultierte ihn auf fünf Zähler nach acht Runden, als einem Referee auffiel, dass er durch das Tragen von Blue Jeans gegen den offiziellen Dresscode verstieß. Carlsen erhielt für die 9. Runde keinen Gegner, beschimpfte daraufhin FIDE-CEO Emil Sutovsky und den Hauptschiedsrichter wütend mit »Fuck you!« und verließ mit Getöse die Szenerie – ein Skandal, der als »Jeansgate« in die Geschichte eingehen wird. Nach Carlsens Abgang triumphierte der 18jährige Russe Wolodar Mursin ungeschlagen mit zehn Punkten aus 13 Runden. Der Altersgenosse des neuen klassischen Weltmeisters Gukesh Dommaraju (Indien) war nur an 59 gesetzt, pflügte sich allerdings wie ein Tornado durch das Feld. Für den kompletten russischen Medaillensatz wie in alten Zeiten sorgten der dreifache Blitzweltmeister Alexander Grischtschuk und der zweifache klassische Vizeweltmeister Jan Nepomnjaschtschi mit jeweils 8,5 Zählern.

Im Frauenturnier dominierte Erfahrung, denn alle Medaillengewinnerinnen sind älter als 30 Jahre. Koneru Humpy (Indien) gewann mit 8,5 Punkten aus elf Runden vor der klassischen Weltmeisterin Ju Wenjun (China) und Kateryna Lagno (Russland) mit je acht. Elisabeth Pähtz und Dinara Wagner kamen auf den Rängen 14–15 ein. Pähtz verlor ihren Top 10-Platz erst durch eine bittere Null in der Vorschlussrunde.

Die Blitz-WM vom 30.–31. Dezember 2024 sah nach diplomatischer Intervention des russischen FIDE-Präsidenten Arkadi Dworkowitsch das spektakuläre Wiederaufscheinen Magnus Carlsens – zu stark der Druck der Sponsoren, zu bedrohlich die Gefahr einer Abkehr des Norwegers vom Weltverband. Die Gründung einer Parallelorganisation würde das Schachuniversum in ein ähnliches Chaos stürzen wie Garri Kasparows Demission 1993. Speziell für Carlsen wurden die Regularien geändert und Jeans ausdrücklich erlaubt – eine »Lex Magnus«.

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Der Kulminationspunkt: Jan Nepomnjaschtschi gewinnt mit 31...Se3+!! entweder die weiße Dame oder setzt matt

Nach 13 Runden qualifizierten sich acht Akteure mit 9,5 Punkten für die K.-o.-Runde, nur Daniel Naroditsky (USA) und Daniil Dubow (Russland) schauten mit ebenfalls 9,5 in die Röhre, wobei Dubow sein Nichtantreten gegen Hans Moke Niemann (USA) zum Verhängnis wurde. Im Viertelfinale lag Carlsen gegen Erzfeind Niemann 0,5:1,5 zurück, als er ihn mit zwei Siegen noch 2,5:1,5 eliminierte – die Erleichterung war mit Händen zu greifen. Nach einem fulminanten 3:0 gegen Duda im Halbfinale kam es zum Duell gegen Nepomnjaschtschi, der im Viertelfinale Mursin mit 2,5:0,5 und im Semifinale Wesley So (USA) mit 3:2 im Tiebreak ausgeschaltet hatte. Nach zwei Auftaktgewinnen zweifelte niemand am Gesamtsieg Carlsens, doch Nepomnjaschtschi gelang das phänomenale Comeback zum 2:2.

Im Sudden Death hätte nun jeder Sieg sofort zum Ende geführt, doch die folgenden drei Partien endeten alle remis – 3,5:3,5. Nun folgte Teil drei der Carlsen-Show, denn der Norweger unterbreitete seinem Gegner den Vorschlag, den Titel zu teilen. Der schlug ein, und auch die FIDE-Offiziellen stimmten dieser Regelbeugung zu. Man stelle sich eine Analogie im Fußball vor: Im WM-Finale würde die Verlängerung abgebrochen, weil die Widersacher sich einig werden. In einer »Bromance«-Anwandlung überließ Carlsen Nepomnjaschtschi die Siegestrophäe, was den sichtlich rührte – für ihn ist es der erste WM-Titel überhaupt.

Die Frauen veranstalteten weniger Drama: Im Finale kam es zu einer Neuauflage des WM-Matches 2023 zwischen den Chinesinnen Ju Wenjun und Lei Tingjie. Ju Wenjun hatte Titelverteidigerin Walentina Gunina (Russland) sowie Vaishali Rameshbabu (Indien) jeweils mit 2,5:0,5 das Nachsehen gegeben, während Lei Tingjie die Kasachin Bibisara Assaubajewa mit 2,5:1,5 und Kateryna Lagno mit 3,5:2,5 aus dem Wettbewerb warf. Nach vier Remisen herrschte ebenfalls 2:2-Gleichstand, doch die Landsfrauen fochten es bis zum Schluss aus: Nach Remis in der fünften und Sieg in der sechsten Partie setzte sich Jun Wenjun die Krone auf. Für Carlsen zahlt sich sein »Jeans-Gambit« aus: Er unterzeichnete nach 2010 erneut einen lukrativen Werbevertrag mit G-Star und wird 2025 Gesicht der Q2-Kampagne der niederländischen Modemarke.

Magnus Carlsen–Jan Nepomnjaschtschi, Blitzschach-WM, Finale, 4. Partie, New York, 31.12.2024, Französisch – Steinitz-Variante

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Sce2 c5 6.c3 Sc6 7.a3! (Carlsen ließ sich von der 13. Partie des WM-Duells Gukesh Dommaraju–Ding Liren inspirieren, denn dort überraschte der Inder mit diesem Zug.) 7…a5 (Ding spielte am 11. Dezember in Singapur 7…Le7 und stand nach 8.Le3! Sb6?! 9.Sf4 cxd4 10.cxd4 +/= bereits schlechter.) 8.Sf3 a4 9.h4 Sb6 10.Sf4 Sa5?! 11.Tb1?! (11.dxc5! Lxc5 12.Sh5!) 11…Ld7 12.Ld3 h6 13.O-O Dc7 14.Te1 Sbc4 15.Sh5 (Carlsen folgt weiter Gukesh, der im 15. Zug seinen Springer ebenfalls nach h5 stellte.) 15…Lb5? (Besser geschah 15…cxd4 16.Sxd4 0-0-0.) 16.dxc5! Dxc5 17.Sd4 +/- Ld7 18.Dg4 O-O-O 19.Df4 (19.Sxg7! hätte entscheidenden Vorteil gebracht, doch das war im Blitz kaum zu berechnen: 19…Tg8 20.Lxh6 Sb3 21.Lxc4 Dxc4 22.Tbd1 +/-, aber Carlsen sah verständlicherweise nicht, wie der Sg7 der Fesselung entkommen kann.) 19…De7 20.b3?! (20.Dg3) 20…axb3 21.Sxb3 Sxb3 22.Txb3 Lc6! (Der Lc6 wird eine wichtige Rolle spielen …) 23.Le3 g5 24.Dd4 gxh4 25.Sf6 Lg7 26.Teb1 Lxf6 27.exf6 Dc7! = 28.Da7? (Die Begegnung kippt zugunsten von Schwarz.) 28…Thg8! (Es droht die Links-rechts-Kombination 29…d4! und 30…Txg2+.) 29.Lf4?? (Mit 29.Lf1! musste g2 gedeckt werden.) 29…Dxf4 30.Txb7 (Carlsen droht 31.Da8+ Db8 32.Dxb8#, und 30…Lxb7?? 31.Dxb7# wäre sofort matt …) 30…Txg2+!! 31.Kxg2 Se3+!! (Ein brillanter Knockout! Weiß verliert entweder nach 32.Dxe3 d4+ mit Abzugsschach und Doppelangriff die Dame oder wird nach 32.fxe3 Tg8+ 33.Kh1 Df3+ 34.Kh2 Dg2# bzw. 32.Kh1 Df3+ 33.Kh2 Dg2# mattgesetzt.) 0:1.

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