Ein wirklich bemerkenswertes Leben
Von Mumia Abu-JamalUnter seinem Namen James Earl Carter junior war der kürzlich Verstorbene nicht berühmt geworden, denn nur wenige wussten seinen vollen bürgerlichen Namen. Aber Millionen von Menschen kannten den Demokraten unter seinem Spitznamen Jimmy Carter als 39. US-Präsidenten (1977 bis 1981) mit dem breiten Lächeln und seinem markanten Südstaatenakzent aus Georgia.
Von allen modernen Präsidenten war er vermutlich der klügste, denn er versuchte sich in seiner Offizierslaufbahn bei der US-Marine in einem Lehrgang für Kernphysik für die damals im Aufbau befindliche Atom-U-Boot-Flotte. Musste er nach der erfolgreichen militärischen Karriere und dem frühen Tod des Vaters zunächst die Leitung der familieneigenen Erdnuss- und Baumwollplantagen übernehmen, fand er schließlich nach dem Watergate-Skandal als politischer Außenseiter seine Erfüllung in der Politik.
Weil er im November 1980 nicht wiedergewählt wurde, behandelte man ihn jedoch auf der politischen Bühne schon bald wie einen Aussätzigen. Jimmy Carter, der sich nach der gescheiterten Kandidatur als Verteidiger der Menschenrechte einen Namen machte, engagierte sich nach seiner aktiven Präsidentschaft weithin, ebenso wie seine Frau Rosalynn, die sich für die Armen einsetzte, indem sie gegen die Wohnungsnot Häuser für finanzschwache Familien bauen ließ, sich für die Behandlung chronischer Krankheiten in Afrika und weltweit als Wahlbeobachterin einsetzte.
Carters Tod am 29. Dezember, im einhundertsten Lebensjahr, war das Ende eines wirklich bemerkenswerten Lebens. Seine Wahlniederlage gegen den Republikaner und früheren Schauspieler Ronald Reagan im Jahr 1980 markierte ebenfalls einen Wendepunkt in der US-amerikanischen Politik. Carter verlor die Wahl unter anderem deshalb, weil im Iran im November 1979 die Mitarbeiter der US-Botschaft als Geiseln genommen und bis zum Amtsantritt von Reagan mehr als 400 Tage festgehalten wurden.
Einige politische Beobachter gaben an, dass auch die hohe Inflation ein Faktor war, aber das war nicht der wahre Grund. Carter hat im Prinzip verloren, weil er bei seiner ersten Kandidatur für das Präsidentenamt noch als gemäßigter Vertreter der Rassentrennung agierte und so etwa 75 Prozent der weißen evangelikalen Wähler für sich gewinnen konnte. Als er sich zur Wiederwahl stellte, war diese Zahl jedoch auf etwa 25 Prozent gesunken, was einen Verlust von rund 50 Prozentpunkten der Stammwählerschaft bedeutete. Kein Politiker kann einen solchen Schlag überleben.
Weil Carter damals zunehmend die schwarze Bürgerrechtsbewegung unterstützte und sich öffentlich für sie starkmachte, waren die weißen Evangelikalen entsetzt von der Fahne der Demokraten geflohen. Warum? Weil für sie ihre Auslegung des Christentums gleichbedeutend war mit ihrem Denken, dass die Weißen die auserwählte »Rasse« sind und vor allem die traditionelle US-Politik der Rassentrennung diese weiße Vorherrschaft stärkte.
Nichts anderes steckt hinter der jüngsten Unterstützung der mächtiger gewordenen Evangelikalen für die Wiederwahl des Republikaners Donald Trump. Die evangelikale Ideologie steht für die Vorherrschaft der Weißen. Das war zu Zeiten Jimmy Carters so und ist auch heute nicht anders. In diesem Licht betrachtet, ist die Befreiung der Schwarzen den militanten Verfechtern weißer Herrschaft ein Greuel. Das lehrt uns die Geschichte.
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