Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Mittwoch, 8. Januar 2025, Nr. 6
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 06.01.2025, Seite 8 / Inland
RWE rodet für den Tagebau

»Der Konzern will Fakten schaffen«

NRW: Kohlegegner halten sechs Hektar großes »Sündenwäldchen« besetzt. Räumung droht jederzeit. Ein Gespräch mit Hilde Sand
Interview: Gitta Düperthal
Raeumung_des_Hambach_71538914.jpg
Wie Legionäre: Großeinsatz der Polizei gegen Waldbesetzer im Hambacher Forst (Morschenich, 13.9.2018)

Jahrelang kämpften Waldbesetzerinnen und -besetzer für den Erhalt des Hambacher Forsts bei Köln. 2018 entschied das Oberverwaltungsgericht in Münster, dass der Wald nicht abgeholzt werden darf. Wieso muss die Waldbesetzung im »Sündenwäldchen«, nahe dem geretteten »Hambi«, in den kommenden Tagen erneut erst die Räumung und dann die Rodung des Wäldchens befürchten?

Die Menschen, die einst geklagt hatten, hatten nicht daran gedacht, alle Waldstücke, die zum »Hambi« gehören, mit auf der Karte zu verzeichnen, über die das Gericht entschieden hat. Der letzte öffentlich bekannte Hauptbetriebsplan für den Tagebau Hambach lief Ende 2024 ab. Nichtsdestotrotz läuft der Bagger im Januar 2025 weiter. Es wird also ohne Genehmigung gebaggert – oder gibt es eine Karte, die nicht öffentlich gemacht wird, damit nicht dagegen geklagt werden kann?

Eine Bande aus RWE, Politik und Polizei will nun illegalerweise wieder einen Teil des Waldes roden und dafür die Besetzung räumen. Seit Ende September halten wir den Sündenwald bei Manheim besetzt. Der Energiekonzern plant, das Erdreich abzubaggern, um so – auch ohne Braunkohle – noch Profit und Prestige aus dem angrenzenden Tagebauloch zu holen. Das Waldstück »Sündi« steht allein da, wie auch das Naturschutzgebiet Bürgewald Steinheide. Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU und Bündnis 90/Die Grünen in NRW war geplant, die Waldstücke wieder miteinander zu vernetzen.

Wie haben Sie davon erfahren, dass die Polizei ab diesem Montag räumen will?

Wir haben von unterschiedlichen Seiten Informationen, die sich zu diesem Bild zusammenfügen. Wir wissen von Planungen von RWE, der Cops und der Firmen, die den Wald roden wollen. RWE, die Landesregierung und die Bezirksregierung Arnsberg haben sich offenbar abgesprochen, obgleich es keinen offiziellen Betriebsplan gibt. Der Kohlekonzern will in diesem rechtsfreien Raum Fakten schaffen. Wir legen mit unserem Widerstand den Finger in die Wunde.

Im etwa sechs Hektar großen Waldstück soll die sogenannte Manheimer Bucht ausgehoben werden. Sie ist Teil des geplanten Sees, der im Tagebau Hambach entstehen soll. Wie begründet RWE sein Vorgehen?

Mit ständig weitergehenden Rodungen würden viele Tiere Lebensraum verlieren, etwa die von der »roten Liste« als bedrohte Arten geführte Haselmaus oder die Bechsteinfledermaus. RWE behauptet, sogenannten Abraum zu benötigen, um Böschungen zum geplanten See zu stabilisieren. Zum Beispiel, weil Elsdorf einen Hafenbalkon und einen Yachthafen erhalten soll. Oder sie geben an, mit dem »Abraum« ihr illegal gebautes Forumsgebäude »Terra Nova« am Nordrand des Tagebau Hambach stabilisieren zu wollen. Dafür gab es keine Baugenehmigung! Obendrein: Auf der anderen Seite der Grube gibt es »Abraum«, der laut Berggesetz abgetragen werden muss.

Die Landesregierung nickt die Räumung ab?

Sie will Hundertschaften der Polizei schicken, um unsere Besetzung zu räumen.

Sind die Beteiligten der Hambacher Besetzung dieses Mal wieder dabei?

Die alte Waldbesetzung hat nie geendet. Der Wald ist auch nicht gerettet, so wie manche denken mögen. Insgesamt sind jetzt viele Menschen hier, auch neu hinzugekommene!

Wie war zuletzt die Stimmung im Wald? Wie klappt es mit der Mobilisierung?

Die Stimmung ist gut. Viele neue Strukturen entstehen – vor allem in der Höhe –, die nicht so einfach wegzuräumen sind. Der Wald ist ein freier Ort, wo es sehr lebendig zugeht. Bei allem, was wir tun, gehen wir respektvoll und mit Rücksicht aufeinander vor. Viele sind wütend, dass es schon wieder mit Repressionen losgehen soll.

Hat Ihre Aktionsform mehr als nur die Akteure RWE, Polizei und Landesregierung im Blick, versteht sich also in dem Sinne als antikapitalistisch?

Klar! Wenn wir eine Lösung für das Zusammenleben auf diesem Planeten haben wollen, ohne dass wir uns selbst vernichten, müssen wir ein anderes System schaffen. Und: Wir haben einen Plan und wollen bleiben. Je mehr Menschen wir am Montag morgen sind, desto besser unsere Chancen!

Hilde Sand beteiligt sich an der Besetzung des »Sündenwäldchens« in Nordrhein-Westfalen

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

Regio:

Mehr aus: Inland