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Aus: Ausgabe vom 06.01.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
H-1B-Visa

Günstige »Top Talents«

Die Debatte über IT-Fachkräftemangel in den USA ist in Wahrheit eine über Arbeitskosten
Von Susanne Knütter
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H-1B-Visum-Techarbeiter Shantanu Prakash zeigt Bilder seiner Familie in Indien (2023)

In den USA wird über Arbeitsmigration debattiert, und in der Berichterstattung hierzulande bleiben davon nur drei Aspekte übrig: gebrochene Wahlkampfversprechen, »Werben um die besten Köpfe« und der Konflikt im Trump-Lager. Im Kern aber geht es um Arbeitskosten. Gegenstand der Debatte, die im Dezember losbrach, sind die 1990 eingeführten sogenannten H-1B-Visa. Mit ihnen erhalten Ausländer offiziell die Erlaubnis, für bis zu drei Jahre in die USA einzureisen und dort zu arbeiten. Dieser Visatyp ermöglicht Unternehmen, ausländische Lohnarbeiter mit bestimmten Qualifikationen auf Zeit in die USA zu holen. Insbesondere im Technologiebereich wird das stark genutzt. Die Nachfrage übersteigt das Angebot (die Obergrenze liegt bei jährlich 85.000). Wer ein Visum hat, kann später eine Green Card beantragen, um dauerhaft im Land zu bleiben.

Viele Unterstützer des angehenden US-Präsidenten Donald Trump fordern, dass die US-Techfirmen stärker auf einheimische Arbeitskräfte zurückgreifen. In seiner ersten Amtszeit hatte Trump die Prüfung von Visaanträgen tatsächlich auch verschärft. Die Ablehnungsquoten erreichten unter der ersten Trump-Administration ein Allzeithoch, wie CNBC am 2. Januar berichtete. 2018 lagen sie bei 24 Prozent, verglichen mit Ablehnungsquoten von 5 bis 8 Prozent unter der Obama-Administration und 2 bis 4 Prozent unter Biden. Das will Trump offenbar nicht ändern. »Es ist ein großartiges Programm«, sagte er der New York Post vor ein paar Tagen.

Zuvor hatten sich die Milliardäre Elon Musk und Vivek Ramaswamy, die Trump offiziell »beraten«, für eine Ausweitung der H-1B-Visa ausgesprochen. In den USA herrsche ein »eklatanter Mangel« an »talentierten und motivierten Ingenieuren«, verkündete Musk am 24. Dezember. Ramaswamy beschwerte sich am 31. Dezember über »eine Kultur«, die »nicht die besten Ingenieure« hervorbringe.

Die Realität im IT-Sektor der USA sieht anders aus. Die (offizielle) Erwerbslosenquote in diesem Bereich stieg im August 2024 mit 148.000 Arbeitsuchenden auf sechs Prozent, wie das Wall Street Journal unter Berufung auf das Bureau of Labor Statistics im September berichtete. Damit lag die IT-Erwerbslosenquote in sieben von den ersten acht Monaten des vergangenen Jahres über der nationalen Quote. Der gar nicht vorhandene Fachkräftemangel spiegelt sich auch in der Bezahlung. Eine Studie des Economic Policy Institute zeigt, dass die Löhne für H-1B-Positionen oft unter dem lokalen Median liegen.

»Die Hauptfunktion von H-1B-Visa und anderen Gastarbeiterprogrammen ist nicht, ›die Besten und Hellsten‹ anzuheuern, sondern gutbezahlte Jobs mit Niedriglohnvertragsarbeitern zu besetzen«, erklärte Bernie Sanders, Vorsitzender des Senatsausschusses für Gesundheit, Bildung, Arbeit und Rente, am 2. Januar. »Je billiger die Arbeit, um so mehr Geld machen die Milliardäre«, fügte er hinzu und erinnerte daran, dass die 30 Konzerne, die hauptsächlich von den H-1B-Visa Gebrauch machen, in den Jahren 2022 und 2023 mindestens 85.000 Arbeiter mit US-Staatsbürgerschaft entließen, während sie gleichzeitig 34.000 neue H-1B-Beschäftigte anheuerten. Schätzungen zufolge werden inzwischen 33 Prozent aller neuen IT-Jobs in den USA auf diesem Wege besetzt. Tesla hat 2024 in Austin 7.500 Arbeiter entlassen, darunter Software-Entwickler und Ingenieure. Die Jahresgehälter, die die Elektroautoschmiede für H-1B-Buchhalter, -Ingenieure und Produktionsplaner zahlt, liegen dem Vernehmen nach gerade einmal zwischen 58.000 und 80.000 US-Dollar verglichen mit dem von Forbes genannten Median von 104.000 US-Dollar für Computer- und IT-Jobs im Jahr 2003. »Wenn es wirklich um den Import von gut ausgebildeten Wissenschaftlern und Ingenieuren geht«, fragte Sanders in seiner Erklärung, »wie kann es sein, dass so viele H-1B-Gastarbeiter als Hundetrainer, Masseure, Köche oder Englischlehrer arbeiten?«

Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ist groß, für das Kapital aber nicht groß genug. Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom (Demokratische Partei) schlug sich am 28. Dezember auf die Seite von Musk und forderte »Unterstützung« für »unsere« Landarbeiter, Bauarbeiter und Handwerker: »Toptalent ist Toptalent«. Was er meint: Wenn noch mehr Talente da sind, dann muss ihnen noch weniger gezahlt werden.

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