Kunstvolles Blubbern
Von Gisela SonnenburgWenn zwei Instrumentalisten als Duo auftreten, bilden sie ein performatives Paar. Manchmal ein kontrastreiches, manchmal ein homogenes. Beim Subsystem ist das so eine Sache: Almut Schlichting am Baritonsaxophon und Sven Hinse am Kontrabass verstehen sich als Teil eines Systems, das selbst wiederum ein System ist. Daher der Name ihrer Formation. Wie sich das Spiel der freien tiefen Töne genau gestaltet, ist am kommenden Dienstag im Rahmen der Reihe »jW geht Jazz« in der Berliner Maigalerie der jungen Welt zu hören.
»Wir sind gleichberechtigt«, sagt Sven Hinse und meint das nicht nur im geschlechtsspezifischen Sinn. Sondern: Es kommt vor, dass das Sax die Partie des Basses übernimmt und umgekehrt. Einen »Thementausch zwischen den Instrumenten« nennt Hinse das. So hat er mit seinem sonst oft monoton brummenden Kontrabass hier auch die Gelegenheit, die Melodie zu zupfen. Und das Saxophon, das sonst eher die Anmutung des Virtuosen hat, muss sich dann mit der zweiten Tonreihe begnügen und die Basslage einnehmen.
»The Flea« (»Der Floh«) heißt so ein Stück vom Album »Schneekönig«. Keck und putzmunter rockt das Baritonsax die Bassrhythmen, während der Kontrabass nachgerade lieblich die Melodiebögen präsentiert: Hüpfen à la Jazz. Bei »Horse and Mule« (»Pferd und Maultier«) kommt ein Rhythmus als elektronischer Loop dazu: Man hört die Tiere im Gleichschritt, sozusagen im selben Trott. Beim kleinen Meisterwerk »Tarantula y Sapo« (»Vogelspinne und Kröte«) ploppt dann der Bass autonom vor sich hin, als setze er in präzisen Taktschlägen ein Spinnenbein vor das andere. Dem krötenhaften Sax entfährt dazu ein kunstvolles Blubbern. Das hat einen Humor, bei dem man sich das Schmunzeln nicht verkneifen kann.
»Tiere, Natur und Essen sind häufig unsere Themen«, sagt Sven Hinse und zwinkert sozusagen mit der Stimme. Obwohl er kein Sänger oder Conférencier ist, kann er die Songs des Duos mit viel Charme ansagen: »Es gibt immer eine kleine Story dazu, die wir beim Konzert erzählen.« Nicht selten spielen die Kinder der beiden Musiker – Schlichting hat zwei, Hinse eines – als Inspiration eine Rolle. So wird in einem Stück von Almut Schlichting das Versteckspielen in einer Gruppe Platanen beim Berliner Mauerpark beschrieben. Und der »Vals Peruano«, der »peruanische Walzer« von Sven Hinse, lässt die Pinguine, die auf einer Insel vor Lima leben, für den Karneval in die Großstadt marschieren. So skurril-naiv sind die Phantasien, die vom Subsystem in Noten verpackt werden: höchst anregend, wenn man bereit ist, innerlich mitzugehen.
Kennengelernt haben sich das Baritonsax und der Kontrabass übrigens schon 1996 beim Studium an der damaligen Hochschule der Künste (der heutigen Universität der Künste) in Berlin. Schlichting kommt aus der Nähe von Göttingen, Hinse aus Münster. Aber wenn sie musizieren, sind sie Weltbürger. Beide spielen in verschiedenen Bands, mitunter kommt auch eine Geige oder eine Sängerin zum Subsystem: Das Duo als System im System ist ausbaufähig.
Davon kündet auch der »Zirkuswalzer«, in dem es so rund geht, als hätte das Musikerteam Schostakowitsch höchstselbst befragt, was typisch für einen Walzer sei. Vielleicht das Gefühl eines wohligen Drehschwindels? Das gilt es am Dienstag abend herauszufinden.
»Subsystem« am Dienstag, 7. Januar 2025, um 19.30 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr) in der Maigalerie der jungen Welt, Torstraße 6, 10119 Berlin. Eintritt: 10 Euro (erm. 5 Euro), Anmeldung erbeten unter: Tel. 030 53 63 55 54 oder maigalerie@jungewelt.de
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