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Aus: Ausgabe vom 07.01.2025, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Historische Geologie

Später, aber kontinuierlich

Norwegische Geologen schreiben die Geschichte der Eiszeit in der Nordsee neu
Von Felix Bartels
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Etwas größer waren sie schon, die Eismassen der Eiszeit

Wer Wahrheit will, sollte graben. Der Satz gilt in jeder Wissenschaft, in der Geologie gilt er buchstäblich. Wobei man im Zeitalter fortgeschrittener Computer- und Messtechnik nicht allein mehr den Spaten bemühen muss. Wie immer: Der Blick tief in die Erde verrät etwas über ihre Vergangenheit. Und mitunter, dass sie anders verlaufen ist, als bislang angenommen. Nun hat ein Team von norwegischen Geologen ein wenig Licht in die düstere Vergangenheit der Nordsee, ihre glaziale Geschichte genauer, gebracht. Die Forscher entdeckten weiter unterhalb des Meerschlicks Landschaftsformen, die Aufschluss über den Verlauf und die Dauer der Eiszeit auf dem Territorium der Nordsee geben und bisherige Modelle in Frage stellen.

Bis vor etwa 1,1 Millionen Jahren sei das Meer demnach nicht vereist gewesen, damals hätten dort kräftige Strömungen geherrscht. Dann habe es eine kontinuierliche Präsenz großer Eismassen gegeben, die sich von Norwegen her über das Gebiet legten. Bislang war die Forschung von verschiedenen Gletscherbewegungen ausgegangen, mehrheitlich zudem von intervallartigem Wiederabtauen. Der bisherige Forschungsstand stellt sich allerdings eher unvollkommen denn falsch dar. Gesichert bleibt die Erkenntnis, dass das Gebiet der Nordsee während der Eiszeit von Gletschern überlagert wurde, die mehrere hundert Meter dick waren. Bei ihrem Abtauen vor etwa 12.000 Jahren entstanden tiefe Schluchten wie auch hohe Kliffe. Die dadurch entstandene Landschaft, in der Forschung als »Doggerland« bezeichnet, lag trocken am Tag und wurde für längere Zeit von Menschen besiedelt. Vor etwa 8.000 Jahren eroberte das Meer die Region zurück.

Unsicher war die Forschungslage dagegen bei der Modellierung, also der Frage, wie genau der Vormarsch der Eismassen vonstatten gegangen ist. Und in welchem Zeitraum. So nahm man etwa an, dass der Prozess die Zeitspanne zwischen 1,3 Millionen und 0,8 Millionen Jahren von der Gegenwart an zurückgerechnet eingenommen habe. Zudem ging man von einer Abfolge aus Vorstößen und Rückzügen aus. Demnach soll das nördliche Meer phasenweise mehrfach frei gelegen haben. Einem anderen Modell zufolge hat die Vereisung der Nordsee bereits vor 1,9 oder 1,8 Millionen Jahren begonnen, zwei große Eismassen, eine von Skandinavien aus und eine von den britischen Inseln her, sollen sich vereinigt und das gesamte Nordsee-territorium bedeckt haben.

Das Forschungsteam um Dag Ottesen vom Geologischen Dienst Norwegens in Trondheim bevorzugt ein drittes Modell. »Im Gegensatz zu früheren Interpretationen, die von mehreren ausgedehnten frühen Vergletscherungen ausgingen, deuten unsere Daten darauf hin, dass sich das Inlandeis während des frühen Pleistozäns nur einmal von Westnorwegen aus über die zentrale Nordsee ausbreitete. Dieser Vorstoß des Eisschildes, der wahrscheinlich vor etwa 1,1 Millionen Jahren stattfand, lagerte eine bis zu 120 Meter dicke Schicht aus Geschiebe-lehm über mehr als 10.000 Quadratkilometer des zentralen Beckens ab«, schreiben Ottesen und seine Kollegen im Fachmagazin Science Advance.

Für die Verifizierung ihrer These verwendeten die Forscher seismische 3D-Darstellungen, die zu ökonomischen Zwecken – der Suche nach Erdgas und Erdöl vor allem, aber auch der Ermittlung von günstigen Standorten für Offshorewindkraftanlagen – erstellt worden waren. Mittels dieser Daten lassen sich verschiedene Landschaften im Sediment der Nordsee detailliert erfassen, sie geben zugleich Aufschluss über die zeitliche Abfolge der landschaftlichen Veränderungen. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei naturgemäß der Landschaftsform zu. Ottensen und seine Kollegen beschreiben die Struktur der verschütteten Landschaft von vor 1,7 Millionen Jahren als »pockennarbig«. Diese Pockennarben seien durch das Austreten von Wasser aus tieferliegenden Sedimenten entstanden. Die Krater von wenigen Metern Tiefe wurden durch oberhalb strömendes Meerwasser verformt, so dass sie sich zu elliptischen, gen Süden ausflachenden Furchen ausbildeten. Den Überlegungen der Wissenschaftler nach müssen sie in einer Meerestiefe von bis zu 300 Metern entstanden sein.

Mit einem Wort: Die Landschaftsformen lassen sich nur erklären, wenn man die Existenz von starken Strömungen, also flüssigen Meerwassers von entsprechender Tiefe, zugrunde legt. Folglich muss die Nordsee bis vor etwa 1,1 Millionen Jahren weitgehend frei von Eis gewesen sein.

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