Profitable Zwangsarbeit
Von Niki UhlmannDie Angriffe auf Beschäftigte und Erwerbslose nehmen dieser Tage kein Ende. Was Kapitalverbände in aufwendigen Studien samt vorgerechneten Ersparnissen einfordern, dafür finden populistische Marktschreier im Wahlkampf haarsträubende, aber wirksame Parolen. Maßgebende Kraft ist die Union, die für hartes Durchgreifen gegen Bürgergeldbezieher wirbt, damit sie das Elend der hiesigen Volkswirtschaft alsbald wieder selbst verwalten kann.
Jeder, der »arbeiten kann, muss arbeiten gehen«, argumentierte Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, am Sonntag gegenüber Bild für eine Arbeitspflicht. Das sei eine »Frage der Gerechtigkeit«. Dass es ihm und der CDU eigentlich um eine profitable Organisation von Zwangsarbeit geht, offenbarte sein ebenso zitierter Parteikollege Christian Herrgott, Landrat im Saale-Orla-Kreis. Als erster hatte er im Frühjahr 2024 Asylsuchende zur Arbeit verpflichtet, gemäß des Asylbewerberleistungsgesetzes für 80 Cent pro Stunde. Diese Pflicht müsse auf Bürgergeldbezieher ausgeweitet werden. Das wirke aber erst, wenn bei Sozialleistungen »mindestens 50 Prozent Abzug möglich sind«. Linnemann bleibt lieber blumig und, wie es sich für einen Populisten gehört, realitätsfern: »Niemand muss in Deutschland arbeiten gehen.«
Dass das Gegenteil stimmt und welche Mehrheiten den Arbeitszwang befürworten, zeigt das Beispiel Schwerin. Dort habe CDU-Fraktionschef Gert Rudolf sich von Herrgott inspirieren lassen, einen Antrag der AfD auf Arbeitspflicht für Asylsuchende aufgegriffen, auf Bürgergeldbezieher ausgeweitet und mit den Stimmen der AfD durchgeboxt, berichtete Bild am Sonnabend. In Saale-Orla bekämen 13 Geflüchtete statt 460 nur noch 260 Euro ausgezahlt, sechs weitere wären untergetaucht. Diese Vertreibung durch Verarmung feiert Rudolf als Erfolg. Sie werde auch in Schwerin die »Kosten der Landeshauptstadt« senken. Bild leistet fleißig Schützenhilfe, und zwar so missverständlich, dass die Kommune Schwerin sich zu einer Richtigstellung genötigt sah, wie Pressesprecherin Ulrike Auge am Dienstag gegenüber jW klagte. Tatsächlich wurde am 9. Dezember die Erarbeitung eines Konzepts abgestimmt. Daran arbeite man jetzt.
Am Dienstag bekräftigte Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, das Vorhaben, Menschen zum Arbeiten zu zwingen. Laut Deutschlandfunk wolle er das Bürgergeld zudem in »neue Grundsicherung« umbenennen. Wieder wird beschönigt. Zuletzt räumte Ulrich Schneider, ehemaliger Vorsitzender des Paritätischen, in einer Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit allerlei Mythen rund ums Bürgergeld auf. Dort heißt es: »Bürgergeld bleibt, wie schon Hartz IV, Armut per Gesetz.« Das stört aber weder Union noch SPD, die ersterer nicht die Mobilmachung gegen Armutsbetroffene überlassen will.
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