Ausstand der Advokaten
Von Dieter ReinischTransportarbeiter, Pädagogen, Müllwerker … und jetzt auch noch die Anwälte: Die britische Regierung sieht sich zu Jahresbeginn von einer anwachsenden Streikwelle konfrontiert. Seit Montag sind die Strafverteidiger in Nordirland in den Ausstand getreten. Bis zum 31. Januar, ganze vier Arbeitswochen lang, wollen sie keine Termine bei Gericht wahrnehmen. In dem Streitpunkt, der von der nordirischen Anwaltskammer aufgegriffen wird, geht es um die staatliche Prozesskostenhilfe bei Pflichtverteidigung.
Pflichtverteidiger bekommen Angeklagte, die sich keinen eigenen Anwalt leisten können. Jeder Strafrechtler in Nordirland muss eine gewisse Prozentzahl an derartigen Pflichtverteidigungen annehmen. Für diese Tätigkeit werden die Anwälte vom Staat durch eine Prozesskostenhilfe bezahlt, die vom nordirischen Justizministerium festgelegt und ausgezahlt wird.
Streit um Prozesskostenhilfe
Doch auch abseits der Pflichtverteidigung sind viele Klienten und somit Anwälte auf die staatliche Prozesskostenhilfe angewiesen. Da die soziale Krise des Vereinigten Königreichs in Nordirland schwerere Folgen hat als in anderen Landesteilen, können viele Klienten keinen eigenen Rechtsbeistand bezahlen und machen von der Prozesskostenhilfe Gebrauch. Besonders die Familien von politischen Aktivisten, darunter die hohe Anzahl von republikanischen und loyalistischen Gefangenen, müssen oft darauf zurückgreifen. So arbeiten politisch motivierte Anwälte fast ausschließlich mit Klienten, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen sind.
Bereits im November traten die Strafverteidiger in Nordirland für einen Tag in den Ausstand. Durch den Streik konnte aber keine Einigung mit dem Justizministerium erzwungen werden. Die Anwaltskammer forderte und fordert eine signifikante Erhöhung der Prozesskostenhilfe. Laut Berechnung ist diese seit 2005 um bis zu 58 Prozent gesunken. Seit damals wurde sie nicht mehr erhöht – ein enormer Reallohnverlust für die Anwälte.
Donal Lunny, Vorsitzender der Anwaltskammer, nannte die Einstellung der Dienste seitens der Kammer auf X am Montag »bedauerlich, aber unvermeidlich«. Das Justizministerium habe sich von unabhängiger Seite zu Maßnahmen beraten lassen, wie die »unhaltbare Krise des Crown Court« überwunden werden könnte. »Statt dessen hat es sich für Reformvorschläge entschieden, die den unerträglichen Druck noch verschärfen werden.«
Regierung unwillig
Justizministerin Naomi Long von der liberal-unionistischen Alliance Party versuchte, Verteidiger und Verteidigte gegeneinander auszuspielen. »Die Opfer und Zeugen werden am stärksten getroffen. Sie warten darauf, ihre Aussagen machen zu können und Gerechtigkeit zu erfahren«, wird sie in der Irish News zitiert. »Den Stress und die Angst, die sie möglicherweise bereits erleben«, würde die Anwaltskammer »nur noch weiter verstärken«. Das bereits angespannte Justiz- und Gerichtswesen stelle das auf die Probe. Noch längere Verzögerungen seien absehbar. Sie fügte hinzu, dass ihr Ministerium »proaktiv mit Kollegen im Justizsystem« zusammenarbeite und versuche, die Auswirkungen des Ausstands »zu minimieren«. Man werde die Opfer sowie Zeugen auch längerfristig unterstützen, sofern die Maßnahmen der Anwaltskammer anhalten sollten. Sie hoffe, dass der Verband »sich den Auswirkungen seiner Maßnahmen« bewusst sei und die »Bemühungen, das System für die Bürger zu verbessern und eine faire, angemessene Vergütung sicherzustellen«, bald anerkenne.
Im August hatte ein interner Bericht des Justizministeriums eine sofortige Erhöhung der Prozesskostenzuschüsse um 16 Prozent gefordert. Veröffentlicht wurde er aber nicht, teilten die Irish Legal News am Montag mit.
Nordirland steht wieder vor einem dichten Streikjahr: Vor Weihnachten hatten die drei größten Lehrergewerkschaften mit großer Mehrheit für Arbeitsniederlegungen gestimmt, da die Regierung nicht auf ihre Lohnwünsche eingehen möchte. Auch im Gesundheitswesen könnte es demnächst weitere Kämpfe geben. Zwar haben sich die Hebammen- und Pflegegewerkschaften um Weihnachten noch mit der Regierung auf Lohnerhöhungen von 5,5 Prozent für 2025 geeinigt. Doch die Gewerkschaft NIPSA fordert für ihre Mitglieder 12 Prozent und stellt Ausstände in Aussicht.
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