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Aus: Ausgabe vom 08.01.2025, Seite 10 / Feuilleton

Erpenbeck, Schubert, Tucholsky

Von Jegor Jublimov
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Später Ruhm: Helga Schubert

Am Dienstag vor 50 Jahren verließ mit Fritz Erpenbeck ein besonderer Künstler diese Welt. Der junge Schlosser nahm nach dem Ersten Weltkrieg Schauspielunterricht, spielte in Berlin u. a. an der links-avantgardistischen Piscator-Bühne. Mit seiner Frau, der österreichischen Schauspielerin Hedda Zinner, harmonierte er auch politisch. Beide traten der KPD bei. Erpenbeck arbeitete als Regisseur und Dramaturg und leitete 1931–1933 die satirische Zeitschrift der KPD Roter Pfeffer. Die Nazis zwangen das Ehepaar zur Emigration. In Moskau spielten beide in »Kämpfer« mit, dem einzigen deutschsprachigen Spielfilm im Exil. Erpenbeck arbeitete journalistisch, u. a. für den deutschsprachigen Sender Freies Deutschland, und kam 1945 zusammen mit der Gruppe Ulbricht nach Berlin zurück. Hier war er erster Chefredakteur der bis heute erscheinenden Zeitschrift Theater der Zeit, schrieb für die Weltbühne und inszenierte an der Volksbühne. Von seinen Kriminalromanen wurde »Pension Boulanka« (1964 verfilmt) am bekanntesten. Auch sein Sohn John und seine Enkelin Jenny Erpenbeck sind durch Romane und Erzählungen bekannt geworden.

Weltbühne-Autorin war in den siebziger Jahren auch Helga Schubert, die am Dienstag 85 wird. Nachdem sie in den achtziger Jahren mit Kinderbüchern, Kurzgeschichten und Filmszenarien bekannt geworden war, verstummte sie 2001 als Schriftstellerin, bis sie zwanzig Jahre später in den Wettbewerb zum Ingeborg-Bachmann-Preis nach Klagenfurt eingeladen wurde, in dessen Jury sie 1987 bis 1990 gewesen war. Sie gewann, und ihre neuen Bücher »Vom Aufstehen« (2021) und »Der heutige Tag« (2023) fanden außerordentlich große Beachtung.

Das Feuilleton »Meine alleinstehenden Freundinnen«, das im Frühjahr 1974 in der Weltbühne erschien, war ihr erster veröffentlichter Text. Die Berlinerin hatte sich an einem von Sarah Kirsch geleiteten Schreibzirkel beteiligt und fand für ernste Probleme einen leichten Ton: »Meine alleinstehenden Freundinnen haben, sofern sie nicht kinderlos sind, ein Kind. Die Kinder brauchen nicht so viel aufzuräumen, müssen nicht so früh ins Bett wie andere Kinder und gehen ebenfalls nicht zum Friseur. Meine alleinstehenden Freundinnen wollen ihre Kinder antiautoritär erziehen, aber die Kinder danken es ihnen nicht, zunächst. Die Kinder ähneln ihren Vätern, und da ist der Haken.« Da sie am vorgegebenen sozialistischen Lebensbild rüttelte, erhielt sie Berge von zustimmenden Leserbriefen. Die erhält sie auch heute noch, und ein neues Buch von ihr ist bereits in Arbeit.

Bis heute prominentester Weltbühne-Autor war wohl Kurt Tucholsky. »Eine Regierung ist nicht der Ausdruck dessen, was ein Volk will, sondern der Ausdruck dessen, was es erträgt.« Das hätte Tucholskys Kommentar auch heute sein können, wenn der Blick nach Österreich geht. Und nicht nur dorthin. Wenn am Donnerstag, seinem 135. Geburtstag, der Startschuss zur Ausschreibung des diesjährigen Tucholsky-Preises im Berliner Theater im Palais gegeben wird, tritt der vorige Preisträger, der in Moskau geborene Alexander Estis, mit neuen Texten dort auf und wird sich über den Zustand des heutigen Feuilletons mit jW-Autor F.-B. Habel streiten (hoffentlich nicht zer-streiten).

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