Requiem für einen Traum
Von Matthias ReicheltDas Gutshaus Steglitz, auch bekannt als Wrangelschlösschen, im Südwesten Berlins neben dem Schlossparktheater, gegenüber der Umbauspekulationsruine Steglitzer Kreisel, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts als klassizistisches »Herrenhaus« erbaut. Es war der Wohnsitz des Preußischen Großkanzlers und Justizministers Carl Friedrich von Beyme (1765–1838).
Dort hat die Malerin und Zeichnerin unter ihrem Künstlernamen FRANEK, bürgerlich heißt sie Sabine Franek-Koch, ihre Epitaphe für vom Aussterben bedrohte Tiere in einer unbedingt sehenswerten Ausstellung als visualisierte »Rote Liste« ausgebreitet. Gemälde, Radierungen mit Mischtechnik verfeinert, Bronzeskulpturen sowie sehr eindrucksvolle weiße Zeichnungen auf grau-schwarzen, zirka 46 × 24 Zentimeter hochformatigen Schiefertafeln wirken wie Grabsteine für jeweils eine bedrohte Spezies.
Die in Potsdam geborene, in Berlin-Schöneberg sowie in Radegast an der Elbe lebende Künstlerin hat ihre Aufmerksamkeit schon immer dem Verhältnis von Mensch und Tier gewidmet. Die Tierwelt zieht sich als roter Faden durch die imposante dreibändige Werkschau, die im Distanz-Verlag erschienen ist. Auch die Transformation von Mensch zu Tier und vice versa findet sich als Motiv in der figurativen Malerei von FRANEK. Im ersten Band der Werkausgabe formulierte die Künstlerin für ihre Serie der »Traumzeitbilder«: »Traumzeitwesen = Wesen, die wie Tiere aussehen, verhalten sich wie Menschen. Wesen, die in menschlicher Gestalt erscheinen, können sich in Tiere verwandeln.« Schweine, Wale, Elefanten oder andere Tiere malt sie häufig zusammen mit Kindern in einer surrealen und farbenprächtigen Landschaft.
Die kosmopolitische Künstlerin interessiert sich sowohl für die indigenen Kulturen Afrikas als auch Latein- und Nordamerikas, sie hat unter anderem bei den Sioux und den Lakota gearbeitet und mit ihnen gelebt. Sie teilt mit diesen Kulturen ein anderes Verhältnis zur Natur, hat weit größeren Respekt vor den Tieren. In einem Gespräch mit der 2019 verstorbenen Künstlerkollegin Sarah Schumann offenbarte FRANEK, dass ihr »Vertrautsein mit Tieren« während ihrer Reisen und Aufenthalte bei indigenen Völkern gewachsen sei. In der Wüste wurde sie bei der Arbeit mit der Technik der Abreibung oder Frottage von einem Kojoten neugierig beobachtet. In ihrem Atelier in Radegast an der Elbe, wo sie ihre großen Gemälde produziert, sind es dagegen Kühe, Füchse, Reiher, Schweine und Störche, die sie umgeben und sich in ihre Malerei schleichen.
Die gegenwärtige Ausstellung zu den bedrohten Geschöpfen der Tierwelt ist ein konsequenter Ausdruck einer Haltung, die sich durch das große Lebenswerk von FRANEK zieht. Fast alle im Gutshaus Steglitz gezeigten Exponate wurden von der sehr produktiven Künstlerin in den vergangenen zwei Jahren geschaffen. Neben der mittel- bis großformatigen Malerei, die in manchmal märchenhafter und freierer Weise Tier und Mensch im Neben- und Miteinander zeigen, sind es vor allem die mit neuen Zeichnungen überarbeiteten älteren Radierungen einer Serie über »Vergänglichkeit«, die den Betrachterinnen und Betrachtern die bereits ausgestorbenen oder vom Aussterben bedrohte Spezies als eindrucksvolle Hommagen nahebringen. Die bräunlichen Radierungen hat FRANEK mit schwarzer Tusche überarbeitet, nicht ohne Reste der alten Motive durchscheinen zu lassen. Auf die dunkle Grundierung zeichnete sie mit weißen und grauen Farbtönen ihre naturalistischen Tierdarstellungen. Manche dieser Tiere wie den Waldelefanten (Loxodonta cyclotis) oder den Westlichen Flachlandgorilla (Gorilla gorilla gorilla) zeigt FRANEK in Bewegung, in handschriftlicher Typographie sind die Spezifika der Spezies sowie die sie bedrohenden Gefahren hinzugefügt. Ebenso naturalistisch sind ihre Tierzeichnungen auf den Schiefertafeln. Sie sind zugleich so betörend schön, dass der drohende Verlust dieser Geschöpfe schmerzlich nachwirkt als Erinnerung und Mahnung zugleich. Begleitend zu der Ausstellung ist ein wunderschönes querformatiges Büchlein der Künstlerin in einer nummerierten 200er-Auflage erschienen.
»FRANEK: The Spirits of Vanishing Animals – Die Rote Liste«, Galerie Gutshaus Steglitz, bis 2. März
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