Bic der Pandora
Von Raphael MolterNach dem Feuerzeugwurf beim Fußballbundesligaspiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem VfL Bochum (14.12.2024) hat das DFB-Sportgericht am vergangenen Donnerstag geurteilt: Statt 1:1 unentschieden wertet der Verband das Spiel zugunsten des abstiegsbedrohten Klubs aus dem Ruhrpott mit 2:0. Bei genauerem Hinsehen erkennt man: Das Nachspiel am grünen Tisch ist eine Schmierenkomödie, wie sie wohl nur die Fußballindustrie inszenieren kann.
Beim allgemein als »Sechs-Punkte-Spiel« titulierten vorweihnachtlichen Aufeinandertreffen hatten die Bochumer ihre Chancen auf den Klassenerhalt erhöhen und die Unioner unter ihrem mittlerweile geschassten Trainer Bo Svensson eine Niederlagenserie beenden wollen. Doch nichts passierte, es gab ein langweiliges Unentschieden, bei dem insbesondere die Köpenicker in 80minütiger Überzahl offensiv nicht überzeugen konnten. Der VfL konnte mit zehn Mann sogar in Führung gehen. Im Kampf gegen den Abstieg aus der Beletage des deutschen Fußballs geht es um viele Millionen Euro. Grob geschätzt verliert ein Absteiger allein wegen der geringeren TV-Einnahmen zwischen 20 und 40 Millionen Euro. Für fußballerische Unternehmen eine Katastrophe, weshalb jeder Strohhalm gegriffen werden muss, um den Absturz zu verhindern.
Doch nach 90 Minuten ödem Kick entschied sich ein Fan auf der heimischen Waldkurve dazu, den Bochumer Keeper Drewes mit einem handelsüblichen Feuerzeug zu bewerfen. Die TV-Bilder geben keinen klaren Aufschluss über den Treffer, der Torwart sackte nach zwei Sekunden der Verwirrung zusammen und verließ erst nach minutenlanger Behandlung das Feld. Im Nachgang wurde das »DFL-Protokoll Kopfverletzungen« als Grund dafür angeführt, warum die Bochumer das Spiel nicht weiterführen wollten und auf den Sieg am grünen Tisch pochten. Offensichtlich wurde die Gunst der Stunde genutzt, was etliche Fans auf die Barrikaden brachte. Sogar der prominente Exschiedsrichter Manuel Gräfe wollte auf X mit internen Nachrichten aus dem Berliner Unfallkrankenhaus den Bochumern eine instrumentelle Nutzung des Feuerzeugwurfs nachweisen.
Union-Präsident Dirk Zingler erklärte nach dem Richterspruch: »Dieses Urteil schadet dem Fußball enorm, wird das nicht zu akzeptierende Werfen von Gegenständen aber nicht verhindern. Vielmehr setzen wir uns der Gefahr aus, dass in Zukunft nicht die sportlichen Leistungen der Mannschaften entscheiden, wie ein Spiel ausgeht, sondern mögliche Schmähungen, Beleidigungen, Rauch oder eben der Wurf eines Gegenstands.« Dass Zingler wieder mal die »Opferrolle« einnahm, wie die FAZ kommentierte, ist zwar nicht falsch, widerlegt jedoch nicht seine Argumentation.
Im internationalen Vergleich ist das Strafmaß einigermaßen absurd. Die Ausführungen der Bochumer wie des DFB-Sportgerichts zeigen, welcher Irrweg hier beschritten wurde. Wer mit dem jüngst eingeführten DFL-Protokoll argumentiert, legt einen Widersinn der Regel offen: Diese soll Spieler nach US-amerikanischem Vorbild vor langfristigen Kopfverletzungen schützen, nun wird es aber für Fälle von durch äußere Eingriffe bedingte Spieluntauglichkeit angewendet. Da schließen sich Fragen an: Könnten nach diesem Präzedenzurteil Fans von abstiegsbedrohten Vereinen auf dumme Ideen kommen? Was ist mit Spielern, die von zu lauten Fangesängen kurzzeitig ein bisschen Kopfweh bekommen? Irgendeiner, der sich nicht zu blöd dafür ist, wird sich immer finden. Es ist wie beim Dreistufenplan des DFB, der ursprünglich dafür gedacht war, auf Rassismus von den Rängen oder auf dem Spielfeld zu reagieren, und dann genutzt wurde, um einen Milliardär vor Schmähungen zu schützen. Die Sportgerichtsbarkeit versteigt sich bewusst zu bürokratischem Unsinn, statt die Integrität des Wettbewerbs zu sichern.
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