»Ernsthaft, offen und konstruktiv«
Von Knut MellenthinIrans vermutlich letzter Versuch, vor dem Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident den jahrelangen Streit um sein ziviles Atomprogramm zu entspannen, ist gescheitert. Ein zweitägiges Treffen in Genf mit Vertretern der E3-Staaten – Frankreich, Deutschland und Großbritannien – endete am Dienstag ohne erkennbare Ergebnisse. Irans stellvertretender Außenminister für den Zuständigkeitsbereich rechtliche und internationale Angelegenheiten, Kazem Gharibabadi bezeichnete die Gespräche mit den Europäern zwar als »ernsthaft, offen und konstruktiv«, machte aber keine Angaben zu deren Inhalt. Öffentlich erklärten beide Seiten in getrennten Kurzstellungnahmen nur ihre Absicht, Verhandlungen aufzunehmen und eine »Atmosphäre zu schaffen und aufrechtzuerhalten«, die dem Erreichen einer Vereinbarung förderlich ist.
Diesen Vorsatz scheinen die Beteiligten aber unterschiedlich zu interpretieren: Eine Woche vor dem Treffen hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Iran als größte »strategische und sicherheitspolitische Herausforderung« für Frankreich und ganz Europa bezeichnet. Darüber hinaus behauptete er, das iranische Atomprogramm stehe »kurz vor dem Point of no return«. Sollte es in den Verhandlungen keine Fortschritte geben, müssten Irans europäische »Partner« über verschärfte Sanktionen nachdenken. Der Sprecher des Teheraner Außenministerium, Esmail Baghaei, sagte daraufhin, es sei »bedauerlich«, dass Frankreich den Iran verleumde, statt das israelische »Apartheidregime« zu kritisieren, gegen dessen Führer ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt.
An der Begegnung zu Wochenanfang nahm auch der Koordinator der EU für die Gespräche über die Zukunft des Wiener Abkommens (JCPOA) vom Juli 2015, Enrique Mora, teil. Es war bereits die dritte Diskussion zwischen Vertretern der E3 und Irans zu diesem Thema. Vorausgegangen war im September vergangenen Jahres ein Gespräch am Rande der UN-Vollversammlung in New York und ein Treffen am 29. November, das ebenfalls in Genf stattfand. Zuvor hatten die E3-Staaten gemeinsam mit den USA den Streit angeheizt, indem sie eine Verurteilung Irans durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), eine Unterorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Wien, durchgesetzt hatten. Iran reagierte darauf mit der Installation und Inbetriebnahme von 6.000 zusätzlichen Gaszentrifugen zur Urananreicherung.
Das Wiener Abkommen sah zeitlich befristete Beschränkungen des iranischen Atomprogramms und im Gegenzug die Aufhebung zahlreicher Sanktionen vor. Durch den einseitigen Rückzug der USA aus den Vereinbarungen, den Donald Trump am 8. Mai 2018 anordnete, ist das Abkommen für die Regierung in Teheran praktisch wertlos. Als Reaktion setzte der Iran ab Mai 2019 schrittweise die Beschränkungen seines Atomprogramms außer Kraft, zu denen das Land sich verpflichtet hatte.
Iran wirft den E3-Staaten als Mitunterzeichnern des JCPOA vor, sie seien am Vertragsbruch der USA unmittelbar beteiligt, indem sie deren Sanktionen befolgen und mittragen. Versprechen der drei europäischen Regierungen, Instrumente zur Aufrechterhaltung des Handels- und Finanzverkehrs mit dem Iran zu schaffen, wurden offenbar nie ernsthaft verfolgt und blieben völlig wirkungslos. Auf diese Weise gelang es, die iranische Regierung dazu zu bringen, 14 Monate lang einseitig seine Verpflichtungen aus dem Wiener Abkommen zu erfüllen, wie die damalige Außenpolitikchefin der EU, Federica Mogherini, am 15. Juli 2020 gegenüber dem Außenministerrat der Union erklärte.
Inzwischen drohen die E3 und die USA gemeinsam, die zwischen 2006 und 2010 vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Strafmaßnahmen gegen Iran, die durch das Wiener Abkommen aufgehoben wurden, wieder in Kraft zu setzen. Eine Klausel des JCPOA erlaubt das, ohne dass Russland und China diesen Schritt durch ihr Veto verhindern könnten. Für diesen Fall hält Teheran sich die Option eines Austritts aus dem Atomwaffensperrvertrag offen.
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