Unverhoffte Annäherung
Von Igor Kusar, TokioEs herrscht Tauwetterstimmung zwischen Japan und China. Nach Jahren der unterkühlten Beziehungen ist unter dem neuen japanischen Premier Ishiba Shigeru eine rege Pendeldiplomatie entstanden. Dass die beiden Rivalen aufeinander zugehen, ist angesichts der Spannungen im Ostchinesischen Meer, wo beide die Senkaku-Inselgruppe (chinesisch: Diaoyutai) für sich beanspruchen, nur zu begrüßen.
Am vergangenen Montag reiste eine hochdotierte japanische Delegation in die Volksrepublik, angeführt von den beiden Generalsekretären der regierenden Parteien, der Liberaldemokratischen Partei und Komeito. Es war dies das erste Treffen der im Rahmen eines Austausches zwischen japanischen und chinesischen Regierungsparteien betriebenen Reisediplomatie seit sechs Jahren. Beide Seiten unterstrichen die »Notwendigkeit, einen engen Dialog und Austausch beizubehalten, ungeachtet der Umstände ihrer Beziehung«.
Doch die Annäherung hatte schon früher begonnen: Ende Dezember traf Japans Außenminister Iwaya Takeshi seinen Amtskollegen Wang Yi in Beijing. Dabei gab die japanische Seite bekannt, für chinesische Touristen Zehnjahresvisa mit mehreren Einreisemöglichkeiten einführen zu wollen, um die Tore für reiche Chinesen weiter zu öffnen. Bereits im November hatte die Volksrepublik die visafreie Einreiseverfügung für Japaner für dreißig Tage wiedereingeführt, die 2020 storniert worden war.
Der diplomatische Austausch soll in diesem Jahr im gleichen Stil weitergehen. Es gibt Bestrebungen, Wang im Februar nach Tokio einzuladen. Die Krönung dieser Pendeldiplomatie wäre dann ein Besuch Xi Jinpings in Japan. Seit der oberste Politiker Chinas 2013 die Macht übernommen hatte, war er nur einmal in dem Inselstaat: 2019 für den G20-Gipfel in Osaka. Aber auch Ishiba hat im Dezember den Wunsch geäußert, nach Beijing zu reisen.
Noch belasten jedoch ungelöste Zwistigkeiten die gegenseitigen Gespräche. Die chinesischen Streitkräfte rücken immer näher an Japan heran – vergangenen August hat ein chinesisches Aufklärungsflugzeug erstmals japanischen Luftraum verletzt. Beijing andererseits kritisiert Japan für dessen Vertiefung der Beziehungen zu Taiwan, das die Volksrepublik als Teil ihres Territoriums ansieht. Weiterer Streitpunkt ist Chinas Importstopp japanischer Meeresfrüchte, der nach der Einleitung von Kühlwasser aus dem havarierten AKW Fukushima in den Pazifik verhängt wurde. Trotz einer Einigung im vergangenen September, den Stopp sukzessive aufzuheben, bleibt er teilweise noch gültig.
Der Zeitpunkt dieser diplomatischen Annäherung ist gut gewählt. Ishiba wollte sie sicherlich vor Donald Trumps Amtsantritt diesen Montag einfädeln. Dessen Regierungszeit ist mit allerlei Unvorhersehbarkeiten verbunden. Auch stehen im kommenden Sommer Oberhauswahlen an. Da die Mehrheit der Japaner China immer noch kritisch gegenübersteht, wäre eine Annäherung in diesem Zeitraum wahlkampftaktisch kontraproduktiv. Ishiba hat es bei seiner diplomatischen Initiative insofern leichter als sein Vorgänger Kishida Fumio, als der rechte, chinafeindlich eingestellte Parteiflügel bei den Unterhauswahlen im Oktober Federn lassen musste und dessen Stimme leiser geworden ist.
Für China ist es auch erfreulich, dass Ishiba den früheren japanischen Premier Tanaka Kakuei zum Mentor hatte. Tanaka hatte 1972 die chinesisch-japanischen Beziehungen normalisiert. Beijing seinerseits sieht sich durch die US-Handelspolitik und die sukzessive Erhöhung der Zölle unter Druck gesetzt und streckt diplomatische Fühler in verschiedene Richtungen aus. Daraus resultierte im vergangenen Jahr eine Verbesserung der Beziehung zu Indien.
Doch der Spielraum für eine nochmalige Verbesserung der chinesisch-japanischen Beziehungen ist klein. Die Rivalität im Ostchinesischen Meer wird ebenso bestehen bleiben wie Japans Mitgliedschaft im US-geführten Block gegen China. Ishibas politische Position als Führer einer Minderheitsregierung ist schwach. Er wird Mühe haben, sich den voraussehbaren Forderungen Trumps nach einer Teilnahme am Handelskrieg gegen China zu entziehen.
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