Gegründet 1947 Donnerstag, 23. Januar 2025, Nr. 19
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Aus: Ausgabe vom 20.01.2025, Seite 12 / Thema
Erster Weltkrieg

Die große Lüge

Kriegsschuldfrage 1914 – ihre Bedeutung gestern und heute. Anmerkungen zu einem Buch des Historikers Bernhard Sauer über den Ersten Weltkrieg
Von Helmut Donat
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Man habe sich doch nur verteidigt … und sei darüber hinaus im Felde unbesiegt geblieben. In Deutschland wurden Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff nach dem Weltkrieg als Helden verehrt. Die Siegermächte forderten indes deren Auslieferung als Kriegsverbrecher

In letzter Zeit ist immer wieder zu hören, dass »Schlafwandlertum« die gegenwärtige Kriegsgefahr in Europa erhöhe. Selbst kritische Autoren orientieren sich damit an dem Aufguss der seit 1914 verbreiteten Legende vom »Hineinschlittern« in den Krieg, in deren Fußstapfen der australische Historiker Christopher Clark 2012 getreten ist. Um so bedeutsamer ist das Buch des Historikers Bernhard Sauer zu der Frage, ob das Hohenzollernreich im Ersten Weltkrieg einen Verteidigungs- oder einen Eroberungskrieg geführt hat.

Zunächst behandelt Sauer die Julikrise 1914 und die Frage, wer die Schuld am Krieg, an unermesslichem Leid und der »Verheerung Europas« trägt. Überzeugend weist er die Thesen Clarks zurück. Danach sollen die Vertreter aller Großmächte als »Schlafwandler« in einen Krieg getappt sein, den keiner wirklich gewollt, für den alle gleichermaßen sowie die europäische Kultur verantwortlich gewesen seien. Sauer gelangt zu einem anderen Schluss und folgt damit den Forschungsergebnissen, die Fritz Fischer bereits 1961 in seinem aufsehenerregenden Buch »Griff nach der Weltmacht« dargelegt hat. Der Erste Weltkrieg war – wie der gegenwärtige Ukraine-Krieg – zu verhindern, wenn man es denn gewollt hätte. Großbritannien, Frankreich und Russland strebten danach, den Konflikt auf einer internationalen Konferenz zu behandeln und die Verwandlung Europas in ein »Menschenschlachthaus« abzuwenden. Nicht so die deutschen und die mit ihr verbandelten österreichisch-ungarischen Regierenden und Militärs. Statt sich wie in den Krisen vor 1914 bereit zu erklären, den Streit durch Verhandlungen auf höchster Ebene beizulegen, verschärften sie den Konflikt und nahmen dabei, so Sauer, billigend einen Weltenbrand in Kauf. Anders ausgedrückt: Wer bei einem mit Dynamit gefüllten Fass das Pulver nicht entfernt, sondern noch mehr hinzufügt und die Lunte zündet, auf dem lastet fortan eine weltgeschichtliche Schuld ungeheuren Ausmaßes. Oder, wie es der Jurist und Kriegsschuldforscher Richard Grelling einmal ausgedrückt hat: »Wer ein eingefriedetes Wasserbett mit Wasser angefüllt hat, ist nicht auf eine Stufe zu stellen mit dem, der die Schleusen öffnet und die verheerenden Fluten über alle Länder sich ergießen lässt.« Aber nicht nur das: Denn wer in einer Lage, in der es um Krieg oder Frieden geht, sich dem Krieg nicht verweigert, der will ihn. Damit einher geht der stets aufs neue bemühte Versuch, sich durch eine großangelegte Propaganda in den Stand der Unschuld zu setzen und die böse Tat auf andere abzuwälzen, um selbst mit weißer Weste dazustehen.

Revisionismus widerlegt

Sauer legt des weiteren dar, wie sich die Diskussion im Kriegsverlauf entwickelte, wie sie sich auch in der SPD niederschlug, Kontroversen und Spaltungen mit sich brachte und wie in den herrschenden Kreisen an den »Siegfrieden«-Forderungen bis zum Zusammenbruch der Front festgehalten wurde. Und selbst nach dem Kriegsende pflegten Militärs sowie Vertreter des alten und neuen Regimes den Mythos der Unbesiegbarkeit und machten für die Niederlage den »Dolchstoß« verantwortlich, der von den Kriegsgegnern in den Rücken der kämpfenden Truppe gestoßen worden sei. Mittels einer aus Regierungsmitteln gesteuerten Unschuldspropaganda hielten die Gewalt- und Revanchepolitiker, Militärs und Kriegsenthusiasten das Volk ideologisch im Kriegszustand und bereiteten es psychologisch auf den nächsten Weltkrieg vor.

Bemerkenswert an Sauers Darlegungen ist, dass er die revisionistische Geschichtssicht von Clark widerlegt und deren Beschränktheit, die irreführenden Weglassungen von Fakten und die Unhaltbarkeit der selektiven Quellenauswahl verdeutlicht. So wird klar, dass Clark Tatsachen, die seiner Interpretation nicht entsprechen, ignoriert, mit Vermutungen herumhantiert und letzten Endes die Realität ausblendet, um ein »Wunschbild« zu präsentierten – vor allem das vieler Deutscher.

Auffallend ist jedoch, dass Sauer wie Clark – und das ganz in Übereinstimmung mit der Unschuldspropaganda der 1920er und 1930er Jahre – die gesamte innerdeutsche Kritik an der kaiserlichen Kriegs- und Katastrophenpolitik ausblenden und so tun, als hätte es eine solche Opposition gar nicht gegeben. Sauer nennt in seinem Literaturverzeichnis als einzige Schrift aus diesem Spektrum Karl Kautskys Publikation »Wie der Weltkrieg entstand« (1919). Alle anderen, teilweise in den letzten Jahren wieder aufgelegten Publikationen von Anklägern der deutschen Kriegsschuld bleiben unerwähnt. Nach den Namen und den Abhandlungen von Wilhelm Muehlon und Karl Max Fürst von Lichnowsky, beide Kronzeugen deutscher Kriegsschuld, sucht man vergebens. Gleiches gilt für Richard Grelling, Jurist und 1892 Mitbegründer der Deutschen Friedensgesellschaft. Er war der bedeutendste Ankläger deutscher Kriegsschuld seit 1914 bis zu seinem Tod im Jahre 1929. Sein im Frühjahr 1915 in der Schweiz anonym erschienenes Werk »J’accuse«, in Deutschland sofort verboten, war ein Welterfolg. Grelling wurde dafür zum »Landesverräter« gestempelt.

Vergessen bzw. vergessen gemacht worden ist auch Prinz Alexander von Hohenlohe, Sohn des Fürsten und Reichskanzlers von Hohenlohe. Aus dem Schweizer Exil wandte sich der Prinz vor allem in der Neuen Zürcher Zeitung gegen die deutschen Kriegsverantwortlichen und -verlängerer. Auf der Grundlage, wie die Weimarer Republik nach 1918 die Schuldfrage behandelte, hat er bereits im April 1924 den deutschen »Revanchekrieg« vorausgesagt.

Ausgespart und unberücksichtigt

Nichts erfährt man von Hans-Georg von Beerfelde, Hauptmann im deutschen Generalstab, der 1917 als erster die amtlichen Fälschungen im Deutschen Weißbuch zum Kriegsausbruch nachgewiesen hat und der wegen seines Bemühens, das Volk über die Schuld der zivilen und militärischen Reichsleitung der Hohenzollernmonarchie aufzuklären, sowohl im Kaiserreich als auch in der Weimarer Republik und im »Dritten Reich« verfolgt worden ist.

Kein Wort über Friedrich Wilhelm Foerster, Mentor des engagiertesten und stärksten Teils der Weimarer Friedensbewegung und die bedeutendste Gestalt des 20. Jahrhunderts im Kampf gegen den Militarismus und Nationalismus preußisch-deutscher Provenienz. Er prognostizierte Anfang November 1928 auf der Basis seiner Beobachtung der Grundtendenzen im deutschen Volke sowie seiner Kenntnis des Willens revanchistischer Kreise, Ziele zu erstreben, die nur mit Mitteln der Gewalt durchsetzbar waren, den Zweiten Weltkrieg für das Jahr 1938, beginnend gegen Polen. Seine Gegner diffamierten ihn 1924 als »übelstes Stinkgewächs am Giftbaum des deutschen Pazifismus«. Foersters Bücher, Schriften, Einsichten und Warnungen bleiben ebenso ungenannt wie das 1994 neu aufgelegte Buch des linksliberalen Journalisten und Pazifisten Hellmut von Gerlach über »Die große Zeit der Lüge«, das zudem seine wichtige Schrift »Der Erste Weltkrieg und die deutsche Mentalität (1871–1921)« enthält. Betroffen von dem ignoranten Umgang mit der deutschen Vergangenheit und der pazifistisch-antimilitaristischen Opposition und Gegnerschaft ist auch Alfred Hermann Fried, Friedensnobelpreisträger von 1911, über den man ebensowenig etwas erfährt wie über sein in vier Bänden erschienenes »Kriegstagebuch«, von dem seit 2005 eine Fassung in Auszügen vorliegt. Ausgespart bleiben auch Hermann Fernaus Tagebuchaufzeichnungen vom 25. Juli bis 22. September 1914, 2014 unter dem Titel »Paris 1914« erschienen. Das Buch zeigt, dass die französische Regierung und die Öffentlichkeit, von einem geringen Teil abgesehen, nicht kriegsgewillt waren, und in ihm ist durch die Herausgeber nachgewiesen, dass Clark seine Thesen auf verfälschende Angaben und Interpretationen stützt, um so den anderen Großmächten die gleiche kriegslüsterne Haltung in die Schuhe zu schieben, wie sie die Vertreter der Mittelmächte an den Tag gelegt haben.

An die fünfzig weitere Namen und Persönlichkeiten wären hier zu nennen, die sich als Kriegsopponenten profund geäußert und die deutsche Kriegsschuld nach gründlicher Befassung mit den Quellen anerkannt haben. Keineswegs nur intellektuelle Einzelkämpfer mit einem kaum messbaren Wirkungskreis, waren sie Mitglieder von politischen Parteien und gesellschaftlichen Organisationen, die über politischen Einfluss verfügten. Sie repräsentieren jenen Teil der deutschen Gesellschaft, der sich nach 1918 anschickte, mit dem Militarismus zu brechen, oder ihn zumindest eindämmen wollte. In keinem anderen Land hat sich der Gegensatz zwischen Militarismus und Pazifismus so stark ausgeprägt. Welche Kräfte obsiegten, entschied über die weitere Entwicklung nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und der ganzen Welt. Als um so bedeutender ist daher das Bemühen anzusehen, sich jener Persönlichkeiten zu erinnern, die sich der Gewalt, dem Krieg und dem Freund-Feind-Denken beherzt und mutig entgegenstellten.

Dass viele von ihnen heute kaum bis überhaupt nicht bekannt sind, dafür trägt nicht zuletzt die Geschichtsschreibung ein hohes Maß an Mitverantwortung sowie jene »Erinnerungskultur«, die sich aus fragwürdigen Gründen nicht im Sinne der Warner vor dem Weg in das »Dritte Reich« um eine Revision des deutschen Geschichtsbildes bemüht. Statt sich ihrer anzunehmen und sie als Ruhmesblatt der jüngeren deutschen Geschichte zu würdigen, folgt sie den herkömmlichen Erklärungsmustern vom Scheitern der Weimarer Republik.

Auch wichtige historiographische Werke und Abhandlungen von Historikern und Autoren, die sich im Sinne Fischers oder Grellings kritisch mit der jüngeren Vergangenheit befasst haben, werden tabuisiert. So gibt es zum Beispiel, obwohl zentral für die Frage, ob Deutschland von Beginn an einen Eroberungskrieg führte und in welchem Ausmaß der Annexionismus quer durch alle Schichten, Parteien, Verbände verbreitet gewesen ist, nicht einen einzigen Hinweis auf die von Salomon Grumbach herausgegebene Dokumentensammlung »Das annexionistische Deutschland« (1917), die in einer erweiterten Fassung 2018 neu erschienen ist. Auch ein Blick in die von Otfried Nippold 1912 zusammengestellten Belege zum Thema »Der deutsche Chauvinismus« hätte eine Berücksichtigung verdient. Ebenso fehlt Ludwig Quiddes Werk über den deutschen Pazifismus im Ersten Weltkrieg. Gleiches gilt für die Bücher von Hermann Fernau, Alexander von Hohenlohe, Walter Fabian, Wolfram Wette, Volker Ullrich, Lothar Wieland, Gerd Fesser, Camille Bloch oder auch für Hermann Kantorowicz’ wegweisendes, über Jahrzehnte hinweg unterdrücktes »Gutachten zur Kriegsschuldfrage 1914« (1967), das nicht zuletzt die Verantwortung der Führungsriege des Hohenzollernreiches betont.

Anhaltendes Unschuldsbewusstsein

Die Ausgrenzung hat Methode: Die Wahrheit über die deutsche Kriegsschuld und die unnötige Verlängerung des Krieges sollen nicht ruchbar werden, das Ansehen der Täter frei von Anklagen bleiben. Doch ist die Frage nach der Schuld am und im Ersten Weltkrieg weiterhin von großer Bedeutung. Es geht um die Einsicht, dass die zivile und militärische Reichsleitung des Kaiserreiches von Beginn an und über die Kriegsjahre hindurch dem Geist des »Siegfriedens« gefolgt ist, und wie wir uns heute dazu stellen. Nach wie vor aber gibt es viele – und es sind keineswegs die Schlechtesten –, die nichts von Schuld hören möchten.

Die Frage nach ihr ist keineswegs zu vermeiden, nur weil es sich, so Clark und andere, um einen moralischen Begriff handle, der in der Wissenschaft nichts zu suchen und von der man sich fernzuhalten habe. Für ein Deutschland, das den Frieden und nicht den Krieg zum Ernstfall erklärt, gilt es zu erkennen, was dazu geführt hat, dass sowohl das Kaiserreich, die Weimarer Republik und das NS-Regime zugrunde gegangen sind – damit wir nicht erneut die gleichen Fehler machen. Die Beantwortung der Schuldfrage hilft, den richtigen Weg in unserem Staatsleben zu finden und bewahrt uns davor, ein weiteres Mal in die Irre zu gehen.

Eine historisch-politische Kontextualisierung der neuerlichen Debatte um die Kriegsschuld von 1914 und die Frage, ob Deutschland einen Verteidigungskrieg führte, hat Sauer vermieden. Dazu kurz Folgendes. In einem wichtigen Punkt sind sich die Kriegsschuldleugner von gestern und heute einig: Allesamt Bellizisten und davon durchdrungen, dass Deutschland seine einstigen weltpolitischen Ambitionen wieder aufnehmen, mindestens aber wieder eine größere Rolle in der Welt zu spielen oder – wie es heute heißt – mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen habe, befürworten sie die Militarisierung der deutschen Außenpolitik seit Beginn der 1990er Jahre. Schon die Propagandisten der Zeit nach 1918, nicht zuletzt die Historiker, leisteten mit ihren Unschuldsthesen einen gewichtigen Beitrag zu dem Bestreben von Militärs und Politikern, Deutschlands verlorengegangene Großmachtstellung zurückzugewinnen. Die heutigen Revisionisten sprechen sich zugleich vehement dafür aus, dass Deutschland sich bei der Wahrung seiner Interessen erneut auf Gewalt stützen müsse. Darin stimmen sie mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) überein, der in seiner »Rede zur Neuausrichtung der Bundeswehr« im Mai 2011 erklärte, dass der »Einsatz von Soldaten« auch dann erforderlich sei, »wenn keine unmittelbaren Interessen Deutschlands erkennbar sind«. Dem hielt Guido Westerwelle (FDP) als Außenminister in einem Interview mit der Welt vom 10. November 2013 entgegen: »Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik. Die Pickelhaube steht uns nicht an.« Doch haben CDU, CSU und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung vom 19. November 2013 die bis dahin geltende »Westerwelle-Doktrin« über Bord geworfen, und Die Welt frohlockte noch am selben Tag: »Einig waren sich Union und SPD (…) immer dann, wenn es darum ging, die Doktrin des amtierenden Außenministers Guido Westerwelle zu beerdigen. So ist die von Westerwelle am häufigsten zitierte Formulierung des alten Koalitionsvertrages, man lasse sich bei militärischen Interventionen von einer ›Kultur der Zurückhaltung‹ leiten, im neuen Vertrag nicht enthalten.« Die spätestens seit 2013 neu inszenierte Unschuldskampagne stellt dazu die intellektuelle Begleitmusik dar und erfüllt den Zweck, den weitgehend friedlich gesinnten Menschen nahezulegen, Deutschland habe wieder »Weltpolitik« zu betreiben und sich einzumischen. Ein solcher Paradigmenwechsel darf natürlich der Haltung des Kaiserreiches im Jahr 1914 oder der Politik in den Jahren davor nicht widersprechen. Die Parallelen zwischen den Unschuldsbeteuerungen nach 1918 und heute sind geradezu mit Händen zu greifen.

Je vehementer Historiker und Journalisten sich schützend vor ein autokratisches Regime stellen, das nach innen wie außen auf Gewalt und nicht auf demokratischen Grundlagen und den Werten von Frieden und Freiheit beruhte, um so mehr erweist sich das längst Widerlegte von bleibender Aktualität. Wie schon nach 1914 verteidigen die Nachfahren der Unschuldspropagandisten jene deutschen Machthaber, die Europa und die Welt in den Abgrund gestürzt haben. Weiterhin werden die Deutschen daran gehindert, mit ihrer Geschichte ins Reine zu kommen – und wie es aussieht, lassen sich viele offenbar gern daran hindern. Und so fragt man sich: Gibt es so etwas wie eine Unwandelbarkeit deutschen Unschuldsbewusstseins? Ist es deshalb so groß, weil die Schuld noch tausendmal größer ist? Oder ist man weder fähig noch willens, aus Fehlern zu lernen? Schließlich stiftet das Unschuldsgebaren die Rechtfertigung dafür, anderen unsere Werte und Normen aufzuzwingen und das notfalls, wo auch immer, mit Gewalt. Bedenkt man zudem, dass, vorsichtig geschätzt, etwa vier von fünf Deutschen mit der Erinnerung an Auschwitz nichts zu tun haben wollen, wird deutlich, in welch gefahrvollem, bedauernswertem und vielleicht sogar krankhaftem Geisteszustand sich das Land befindet.

Wie die Entscheidungsträger des Kaiserreichs mit der Julikrise 1914 umgegangen sind, offenbart den Seelenzustand beschränkter Individuen, die für die eigenen Denkfehler andere Menschen oder das Schicksal verantwortlich machen. Ähnlich die Haltung der Unschuldspropagandisten bis hin zu Clark. Von jeher hat die deutsche Verteidigungs­literatur die Taktik befolgt, diplomatische Vorgänge, die ihrer Beweisführung unbequem waren, entweder ganz zu verschweigen oder flüchtig darüber hinwegzugehen, oder sie solange zu biegen und zu drehen, bis aus schwarz weiß geworden ist.

Früchte der Unwahrheit

Die Kritik zahlreicher Pazifisten und Kriegsgegner an den herrschenden Kreisen und weiten Teilen des Volkes, den Kriegsgott angebetet zu haben, war aufklärerischer Natur, weil die Deutschen in ihrer großen Mehrheit nach 1918 im Umgang mit der Schuldfrage und den während des Krieges verübten Greueltaten in Belgien und Nordfrankreich nicht die geringste Selbsterkenntnis zeigten. Bis 1933, und erst recht danach, wandten sie sich, so der Schweizer Historiker Adolf Gasser, vehement gegen die sogenannte Kriegsschuldlüge des Versailler Friedensvertrages und suchten nachzuweisen, dass die Schuld an der Entfesselung des Ersten Weltkrieges auf der gegnerischen Seite liege; in Wirklichkeit aber stellte sich die damalige deutsche Geschichts-»Wissenschaft« insbesondere im Bereich der eigenen Zeitgeschichte, so Gasser weiter, als überaus »verpolitisiert und verlogen« dar. Und so gelangt er in seinem Artikel »Die Kriegsschuld« vom 30. Januar 1966 in der Basler National-Zeitung zu dem Schluss:, dass die Kriegsschuldlüge »nicht unwesentlich zum Aufkommen der Revanchestimmung und des Hitlerreiches beigetragen« habe.

Vor allem auf dem Boden des Kampfes gegen die sogenannte Kriegsschuldlüge breitete sich der völkische und faschistische Ungeist aus. Scharfsinnig schrieb Hellmut von Gerlach dazu in seinem Artikel »Grelling und Hitler« am 5. September 1932 in der Zeitschrift Die Zeit: »Nie wäre Hitler der Machtfaktor geworden, der er heute ist, wenn die Republik 1918 den Schnitt mit der Vergangenheit vollzogen hätte (…). Die deutschen republikanischen Machthaber aber zogen nicht den Strich zwischen sich und den Verantwortlichen von 1914, wohl aber zwischen sich und den paar Deutschen, die seit 1914 im Kampf gegen die kaiserliche Kriegspolitik standen. Statt die Wahrheit über die Ursachen des Kriegsausbruchs in den breitesten Schichten des Volkes zu verbreiten, ließen sie die Unschuldskampagne der Nationalisten die Massen vergiften. Sie säten nicht die Wahrheit. Darum konnte Hitler die Früchte der Unwahrheit ernten.«

Wer im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg die wichtigen Arbeiten der deutschen Oppositionellen unbeachtet lässt, enthebt sich der Auseinandersetzung mit ihren Standpunkten und Erneuerungsvorschlägen. Er entzieht das erhellende und in die Zukunft weisende Bemühen der linksrepublikanisch-pazifistischen Tradition mit all ihren Einsichten und damit verbundenen Antworten dem historisch-politischen Diskurs. Mächtige, meinungsführende Blätter beteiligen sich heute – wie schon in den 1920er Jahren – in großem Umfang daran, die Führungsriege des Hohenzollern­regimes nicht mehr als kriegstreibend zu bezeichnen, zumindest nicht kriegstreibender als Frankreich oder Russland. Statt jene ins Blickfeld zu rücken, die sich als Demokraten, Pazifisten und Antimilitaristen gegen ein Regime gestellt haben, das für den Weltenbrand verantwortlich gewesen ist, verteidigt man längst widerlegte Rechtfertigungs- und Verschwörungslegenden. Ist der Drang nach einer deutschen Weltpolitik bereits wieder so groß, dass man die »Störenfriede« von einst erneut wegdrückt, weil ihr Vermächtnis deutlich macht, dass Politikkonzepte, die sich in Krisenlagen auf den Einsatz von Waffen stützen, das eigene Land in Teufels Küche bringen?

Nichts gelernt

Vor diesem Hintergrund erweist sich das mit dem Ukraine-Krieg verbundene Verlangen nach ständig neuen Waffenlieferungen bis hin zu einem »Siegfrieden« als Politik aus alten Schläuchen. Der zur Schau getragene Zivilmilitarismus folgt der »Kriegslogik«, die auf Tod und Zerstörung abzielt und die dem Exportland und Wirtschaftssandort Deutschland bereits großen Schaden zugefügt hat. Sie rüttelt an den Grundfesten von Demokratie und Freiheit, die in der Ukraine keineswegs verteidigt, sondern ins Schlepptau eines militaristischen Denkens genommen werden, dem sich das zivile Leben kriegsertüchtigend unterzuordnen habe.

Wie im Ersten Weltkrieg unterschätzen die Bellizisten erneut die Unwägbarkeiten des Kriegsverlaufs, klammern sich an illusionäre Beurteilungen und befeuern den Stellvertreter- und Bürgerkrieg auf ukrainischem Boden weiter. Dem Elend und Zerstörungswahn dringend Einhalt zu gebieten und einen Waffenstillstand und raschen Verständigungsfrieden anzustreben, kommt ihnen nicht in den Sinn. Zu ausgeprägt ist ihr Glaube an die Macht der Gewalt. Dass es für eine Verhandlungslösung in Deutschland eine Mehrheit gibt, aber dennoch nicht nach ihrem Willen gehandelt wird, sagt viel darüber aus, wie wenig die Regierenden und Gewaltbefürworter bislang wirklich aus den Niederlagen von 1918 und 1945 sowie aus der Kriegsschuld von 1914 gelernt haben.

Die Rückkehr zu einer Politik der Stärke geht einher mit dem Verlangen, sich endlich »erwachsen« zu zeigen. Zum Erwachsenwerden aber gehört, dass man sich von der Identifikation mit den Vätern, Groß- und Urgroßvätern und der von ihnen vertretenen Unschuldsthese löst und jene, die vor ihren Folgen gewarnt haben, nicht weiter negiert. Doch davon sind wir weit entfernt. Vielmehr macht es die jahrzehntelange Schindludertreiberei mit den Gegnern einer menschenverachtenden, dem Schwertglauben verpflichteten Politik all denen leicht, die das »Dritte Reich« als einen »Vogelschiss« der deutschen Geschichte verharmlosen. Zudem bleibt durch das Totschweigen der Kritiker der Unschuldslegende eine wichtige Erkenntnis auf der Strecke. Denn deren Einsichten offenbaren, dass all jene, die wie Clark die Verantwortung des preußisch-deutschen Militarismus am Ersten Weltkrieg kleinreden, das Gebiet verlassen haben, in dem Vernunft und Fakten die entscheidenden Größen sind. Sie bedienen Vorurteile und affektgesteuerte Haltungen und Annahmen. Erdachtes und Fakten werden miteinander vermischt. Sie bekräftigen Einseitigkeiten, vertiefen Verblendungen und schaffen Raum für Pseudoargumente. Das ist nur möglich, weil sie ihren Lesern und Zuhörern die Persönlichkeiten und Gruppen, die sich den voraussehbaren Folgen der Unschuldskampagne widersetzt haben, vorenthalten. Auch Sauer folgt diesem Muster und erschwert so die Einsicht, dass die Beantwortung der Kriegsschuldfrage und die damit verbundene Propaganda sehr eng damit verknüpft sind, an welchem Politikkonzept sich Deutschland heute und künftig orientieren sollte.

Bernhard Sauer: Der Erste Weltkrieg – ein Verteidigungskrieg? Berlin: Duncker & Humblot 2023, 188 S., 49,90 Euro

Helmut Donat schrieb an dieser Stelle zuletzt am 7. Juli 2024 über Erich Mühsam

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  • Leserbrief von Emmo Frey aus Dachau (22. Januar 2025 um 10:59 Uhr)
    Berichte von Herrn Donat sind für mich immer bereichernd, er erinnert an Persönlichkeiten oder an Begebenheiten, von denen sonst kaum etwas bekannt ist. Schön, dass er jetzt das Buch von Bernhard Sauer zur viel diskutierten Kriegsschuldfrage 1914, zum Schlafwandlertum, zur Dolchstoßlegende aufgreift und die nötigen Schlüsse für die heutige Außenpolitik findet. Alles bestens, vielen Dank dafür!
    Herr Donat nennt viele Namen kritischer Autoren, die alle versucht haben, die deutsche Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg zu belegen und den deutschen Chauvinismus zu benennen, im Buch Sauers aber nicht vorkommen. Ein bedeutender Autor fehlt mir jedoch bei diesem Rückblick: Karl Kraus. Er hatte sich ja, wie kein zweiter, mit dem Ersten Weltkrieg auseinandergesetzt (»Die letzten Tage der Menschheit«). Es mag sein, dass das letzte große Werk von Kraus, »Die Dritte Walpurgisnacht« (1933 geschrieben) wenig bekannt ist beziehungsweise zu wenig gelesen wurde. In der mir vorliegenden Ausgabe des Kösel-Verlages von 1955 geht Kraus auf den Seiten 76 und 77 mit bemerkenswerter Verdichtung und Tiefe auf das Thema der »Kriegsschuldlüge« ein. Ich zitiere hier nur wenige Sätze:
    »Der Revanchekrieg nach innen war eröffnet, den die Sozialdemokratie in dem Maß nicht abzuwehren vermochte, wie sie den Krieg gefördert hat. Die Schuld am Krieg von denen geleugnet, die ihn eröffnet hatten – was Schuld des Krieges war, als die des Friedens beglaubigt. Der Außenfeind hatte jenen, der innere diesen verschuldet. Nichts konnte den Nachgeborenen besser einleuchten als der "Dolchstoß", da außen keine Entscheidung sichtbar war, innen aber die Niederlage fühlbar als Not. Das Luftgebilde von Reparationen, die niemals an den realen Schaden hinangereicht hätten: Arsenal der Lüge, dass noch die reduzierteste Leistung den Staatshaushalt in Ketten lege. (…) Jetzt freilich ist ein Volk Opfer des satanischen Humbugs; der die allverderbliche Kriegsfolge zur Friedensfolge zugerechnet hat, deren Härte den unterlegenen Staat doch selbst dann träfe, wenn er mit Recht seine Historiker mobilisierte, die Kriegsunschuldlüge auszuarbeiten. Diese Wissenschaft ist, schon über die Erkenntnis hinaus, dass die anderen begonnen haben, bis zu dem Standpunkt vorgedrungen, dass der verlierende Teil Opfer für ihren Gewinn gebracht habe und darum Anspruch habe auf Kriegsentschädigung. (unglaublich! E.F.) (…) mehr als durch feindliche Willkür leidet Deutschland durch die ideologische Zurechtmachung, die den Innenfeind erfand und noch den gutartigen Volksteil betört hat. (…) Der Nationalismus, nie eine geistige Nachhilfe, lehrt hier wahrlich die Nation, durch Schaden dumm zu werden, und was er ihr vermacht, ist die irreparable Verkehrung von allem Heil, das er ihr zuruft.«
    Ja, »Die Dritte Walpurgisnacht« hat es in sich! (An die 300 Seiten.)
  • Leserbrief von Volker Wirth aus Berlin (21. Januar 2025 um 14:21 Uhr)
    Der Verfasser traut sich tatsächlich zu, die »Kriegsschuldfrage« bzw. »Kriegsschuldlüge« in einer teils kritischen Rezension eines Buches, das sich wegen seines hohen Preises wohl nur wissenschaftliche Bibliotheken leisten werden, zu behandeln, ohne das grundlegende Werk von Lenin über den Imperialismus auch nur zu erwähnen. Oder Engels’ düstere Prognose für Europa. Sehr zum Nachteil des Themas!
    Darum dann auch die geradezu rührende Darstellung der Rolle der »Triple-Entente«, des Bündnisses von Frankreich, Russland und Großbritannien. Die doch nur ganz friedlich eine internationale Konferenz wollten. Für sie trifft doch ebenfalls zu, dass »Wer in einer Lage, in der es um Krieg oder Frieden geht, sich dem Krieg nicht verweigert«, ihn will!
    Das wäscht die Clique um Kaiser Wilhelm II. nicht weiß, hinter der die deutsche Großindustrie, die Großbanken und die Junker standen. Spätestens seit der »Marokko-Krise« und den Balkankriegen war doch aber der wachsende Widerstand eigentlich aller anderen imperialistischen Staaten gegen die deutschen Ansprüche auf eine Weltmachtrolle deutlich geworden. Deutschland war »in die Enge getrieben«! Richtig, da setzte Germania auf das scharfe Schwert! »Ein Hundsfott, der jetzt noch einen Vermittlungsvorschlag macht«!
    Dass das deutsche Kaiserreich Frankreich und Russland den Krieg erklärte, ist allerdings schon im Falle des folgenden Kriegseintritts von Großbritannien »wegen der Verletzung der Neutralität Belgiens« nicht mehr »Beweis genug«. (Hitler ließ es dann beim Überfall auf Polen darauf ankommen, dass Frankreich und erneut Großbritannien dem »friedliebenden Deutschland« den Krieg erklärten.) Machiavelli hat sich m. W. schon vor Jahrhunderten mit dieser Art von »Beweisführung« kritisch beschäftigt.
    Doch es ist trotzdem richtig, dass Deutschlands Herrscher Kriegstreiber reinsten Wassers waren. 1914 ebenso wie 1939 bis 1941. Aber eben auch von extremer Risikobereitschaft und bereit zu großen Verbrechen! In diesem Sinne – unbedingt »schuldig! Aber Moral reicht eben nicht!
  • Leserbrief von Klaus-Peter Häußer aus Neustadt-Glewe (21. Januar 2025 um 13:45 Uhr)
    Ich weiß es nicht genau. Ich habe sicherlich einen halben Meter Theodor Lessing in meinem Regal. Darunter die Kompilationen zu Lessing, die Helmut Donat in seinem kleinen Verlag herausgegeben hat. Mir ist er von daher sympathisch.
    Der Aufsatz gestern – »Die große Lüge« – ist ein großer Wurf, was die Kriegsschuldfrage anbelangt, die von einigen stets wieder zu einer Fraglichkeit stilisiert wird.
    Daran kann man sich wirklich orientieren. Das Ende des Aufsatzes sagt allerdings
    nicht die ganze Wahrheit, nämlich dass die »Große Lüge« auch die große Lüge von
    »Frieden und Freiheit« ist; denn wer Frieden will, der wird verfemt.
  • Leserbrief von Bernhard Sauer (Historiker) (20. Januar 2025 um 16:50 Uhr)
    Zu dem Beitrag von Donat zu meinem Buch sind einige kritische Anmerkungen notwendig, denn seine Interpretationen sind z. T. recht willkürlich und auch falsch. Ich habe nicht – und schon gar nicht wie Clark – »die gesamte innerdeutsche Kritik an der kaiserlichen Kriegs-und Katastrophenpolitik« ausgeblendet und so getan, »als hätte es eine solche Opposition gar nicht gegeben.« Eine ausführliche Darstellung der innerdeutschen Opposition war schlicht und einfach nicht das Thema des Buches. Dazu hätte man ein weiteres schreiben müssen. Zentrales Thema war die detaillierte Darstellung der Kriegszieldiskussion innerhalb des deutschen Kaiserreiches und
    aufzuzeigen, dass der Krieg geführt wurde, weil einflussreiche Kreise des Kaiserreiches annektionistische Kriegsziele verfolgten. Dabei wird auch die Frage der Kriegsschuld ausführlich behandelt. Es ist völlig schleierhaft, wenn Donat da zu gegenteiligen Aussagen kommt. Detailliert und anhand zahlreicher Dokumente wird der Widerstand der SPD und der Sozialistischen Internationale beleuchtet. Auch wird ausführlich diskutiert, welch katastrophale Folgen die Aufgabe der Antikriegshaltung durch die SPD hatte, denn aller Wahrscheinlichkeit nach hätte der Krieg
    doch noch verhindert werden können. Doch davon ist in Donats Beitrag nichts zu finden. Er schreibt nur, dass sich der Kriegsverlauf »auch in der SPD niederschlug«. Mein Eindruck ist, dass Donat das Buch nur sehr oberflächlich gelesen hat. Aber der Leser kann sich ja ein Bild machen. Der Ukraine-Krieg wird tatsächlich nicht behandelt. Dies hätte den Rahmen des Buches ebenfalls gesprengt. Aber in der Tat: Zwischen den beiden Kriegen gibt es mehrere Parallelen und Gemeinsamkeiten. Deshalb ist es auch sehr sinnvoll, sich ernsthaft mit dem Ersten Weltkrieg auseinanderzusetzen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Barbara H. (20. Januar 2025 um 08:01 Uhr)
    Vielen Dank für diese umfangreiche Buchbesprechung. Leider ist das Buch für Normalrentner viel zu teuer. Wenn es stimmt, dass die damaligen innerdeutschen Kriegsgegner kaum zu Wort kommen, muss man sich fragen: Warum? Ist dieses Thema noch immer sakrosankt? So scheint es. Man könnte sich auch vom Standpunkt der Psychologie, insbesondere der Tiefenpsychologie nach Alfred Adler, dem Thema der Kriegsschuld, oder dem der Schuld im allgemeinen annähern. Dies muss nicht religiös, sondern wissenschaftlich erfolgen. Ein fehlendes Schuldbewusstsein ist ein gefährlicher Zustand der Psyche. Fehlendes moralisches Bewusstsein macht alles möglich, auch Völkermord. Einen sehr guten Einblick gibt die Autobiographie von Rudolf Höss »Kommandant in Auschwitz«. Dr. phil. Barbara Hug Psychologin
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Wolfram A. aus Potsdam (20. Januar 2025 um 05:57 Uhr)
    Danke für diesen Artikel, der in seiner Herausarbeitung historischer Zusammenhänge und langer, auch die Gegenwart bestimmender Bögen der Interessenkontinuität des deutschen Machtblocks Vorbildliches leistet und dabei mit der ausführlichen Würdigung des – selbstverständlich zielgerichtet und interessengebunden unterdrückten und totgeschwiegenen – Widerstandes gegen Militarismus und Krieg auch wichtige Impulse zur immer wieder von Neuem notwendigen gründlichen Verfassung mit dem Thema gibt. Ergänzend zu diesen Impulsen sei gesagt: Selbst der so gründliche Verfasser kommt interessanterweise nicht auf die Idee, der Geschichtswissenschaft und Geschichtspolitik des anderen deutschen Staates DDR in Bezug auf den Ersten Weltkrieg und seine Langzeitfolgen einen Platz in seinen Betrachtungen einzuräumen. Der von Wolfgang Schumann und Ludwig Nestler unter Mitarbeit von Willibald Gutschein und Wolfgang Ruge 1975 herausgegebene Band »Weltherrschaft im Visier. Dokumente zu den Europa- und Weltherrschaftsplänen des deutschen Imperialismus von der Jahrhundertwende bis Mai 1945« etwa setzte Standards und hat an Aktualität nichts verloren. Es sollte dies nicht vergessen werden: Die Komplettabwicklung der DDR-Geisteswissenschaften hatte natürlich auch – und keineswegs am Rande, sondern im Zentrum – diese geschichtswissenschaftliche Komponente.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (19. Januar 2025 um 21:26 Uhr)
    Kleine Auswahl von einschlägigen Zilkenat-Artikeln zum Thema: »Wer die Forderung nach einem ›Platz an der Sonne‹ angesichts der konkret-historischen Kräfteverhältnisse an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert propagierte, musste konkurrierenden Mächten, konkret Frankreich und besonders Großbritannien, diesen Platz streitig machen. Deshalb war die Rede Bernhard von Bülows auch ein Vorzeichen der Juli-Krise von 1914 und somit für den Weg in den Ersten Weltkrieg.« Aus: www.jungewelt.de/artikel/323082.der-platz-an-der-sonne.html . Einige weitere Hinweise: www.jungewelt.de/artikel/269424.beherrschen-und-verdeutschen.html , www.jungewelt.de/artikel/250955.eiserner-atem.html , www.jungewelt.de/artikel/335228.wahn-und-wirklichkeit.html , www.jungewelt.de/artikel/437259.deutscher-imperialismus-wer-kiew-hat-kann-russland-zwingen.html

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