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Aus: Ausgabe vom 23.01.2025, Seite 4 / Inland
Repressive Staatsgewalt

Auf Kritik folgt Razzia

Hessen: Durchsuchungen bei ehemaligen Mitgliedern des aufgelösten Vereins Palästina e. V.
Von Annuschka Eckhardt
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73 Polizisten sind an den Razzien in Hessen am Mittwoch beteiligt

Repression im Morgengrauen: Im unermüdlichen Kampf gegen Kritik am Staat Israel und seiner ultrarechten Regierung ist den deutschen Behörden ein neuer Coup gelungen. Am Mittwoch morgen haben 73 Beamte des Polizeipräsidiums Frankfurt, des hessischen Präsidiums für Einsatz und des hessischen Landeskriminalamtes in Frankfurt am Main Razzien mit Bezug zum Verein Palästina e. V. durchgeführt. Insgesamt sollen neun Personen von den Durchsuchungen betroffen gewesen sein. Neben Frankfurt am Main habe es auch eine Razzia in Darmstadt gegeben, alles im Rahmen eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens, das seit 2023 gegen den Verein läuft.

Die Vorwürfe des hessischen Innenministeriums sind weit gefasst, um nicht zu sagen schwammig: »Es besteht der Verdacht, dass der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstößt«, heißt es auf der Website des Ministeriums.

Laut »Erkenntnissen« der im November 2024 vom hessischen Verfassungsschutz vorgestellten Studie zum Forschungsprojekt »Antisemitismus als Querschnittsphänomen im hessischen Protestgeschehen nach dem 7. Oktober 2023« seien die führenden Mitglieder des Vereins Palästina e. V. dem »linksextremistischen Arm des Antisemitismus« zuzuordnen. Über die Mitglieder sowie den Verein selbst bestünden zahlreiche Verbindungen zu »gleichgesinnten Vereinigungen, die im linksextremistischen Spektrum« anzusiedeln seien.

Im vergangenen August hatte der am 22. Januar 2022 gegründete Verein Palästina e. V. an der Frankfurter Hauptwache ein Kulturfest veranstaltet, das vom sogenannten Antisemitismusbeauftragten Hessens, Uwe Becker (CDU), als »antisemitisches Hassfest« verunglimpft wurde.

Mal wieder habe »unser Rechtsstaat« am Mittwoch »ein klares Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt«, tönte Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU). Der Verein verbreite seit seiner Gründung »Israelhass« und »antisemitische Parolen«. Die konsequente Bekämpfung von Verfassungsfeinden und Antisemitismus sei eine Daueraufgabe, der sich die hessischen Sicherheitsbehörden weiterhin mit größtem Nachdruck stellen werden, so Poseck am Mittwoch in Wiesbaden. Der Unterschied zwischen Kritik an der genozidalen Kriegführung Israels und Antisemitismus scheint den meisten deutschen Politikern einfach nicht klarzuwerden.

»Je offensichtlicher das Ausmaß der Zerstörung und der genozidalen Massaker in Gaza wird, desto härter muss der deutsche Staat durchgreifen, um die notwendige Opposition dagegen zu unterdrücken«, sagte Wieland Hoban, Vorsitzender des Vereins »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« am Mittwoch gegenüber junge Welt. Der Begriff der Staatsräson habe weder historisch noch aktuell irgend etwas mit dem Rechtsstaat zu tun, und dieses gesetzlose Vorgehen, das im letzten Jahr anhand zahlreicher Razzien und Verfahren beobachtet werden konnte, sei nur als moralische Bankrotterklärung zu verstehen.

»Die Durchsuchungen sind schon deshalb absurd, weil der Verein formal im November vergangenen Jahres aufgelöst wurde«, sagte die selbst von den Durchsuchungen betroffene Aitak Barani, die auch Mitglied des Vereins war, am Mittwoch gegenüber jW. Die ehemaligen Vereinsmitglieder wunderten sich nicht mehr über die deutschen Kollaborateure eines offen laufenden Genozids. »Wir tun genau das Richtige und lassen uns nicht mundtot machen, wenn wir einem Staat gegenüberstehen, der alles dafür tut, damit die Verbrechen der Besatzungsmacht weitergehen«, so Barani.

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