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Aus: Ausgabe vom 25.01.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
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Union Busting bei Amazon

Kanada: Der US-Internetkonzern schließt alle Standorte in Québec, um gewerkschaftliche Organisierung zu verhindern
Von Max Ongsiek
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Statt Tarifvertrag kommt die Schließung: Amazon-Lagerhaus in Laval/Kanada (22.January 2025)

Dass Jeff Bezos ein skrupelloser Geschäftemacher ist, zeigen die Ereignisse in der kanadischen Provinz Québec. Hier wird der Onlinehandelskonzern Amazon in den nächsten zwei Monaten seine sieben Standorte schließen. 1.700 Festangestellte und 250 befristet Beschäftigte werden so auf einen Schlag entlassen. Die Schließungen in Lachine, Longueuil, Coteau-du-Lac sowie Laval umfassen eine Lagerhalle, zwei Sortierzentren, drei Lieferstationen und ein Versandzentrum für große Waren wie Fernseher und Möbel. Der liberale Minister für Innovation, Wissenschaft und Industrie, François-Philippe Champagne, verurteilte die Pläne und erklärte, dies sei »nicht die Art und Weise, wie wir in Kanada Geschäfte machen«. Das Amazon-Lager in Laval ist als einziges in Kanada gewerkschaftlich organisiert. Bis zum 22. März sollen alle Standorte dichtgemacht werden.

François L’Écuyer hat den Arbeitskampf in Laval begleitet und schilderte die dortige Situation am Donnerstag im Gespräch mit jW. Die Kolleginnen und Kollegen vom Amazon-Standort seien »schockiert und am Boden zerstört«, erklärte der Sprecher der Gewerkschaft Confédération des syndicats nationaux (CSN). Für Amazon bedeute der Schritt eine Rückkehr zu Lieferkonzepten aus dem Jahr 2020, als der Onlineriese die Auslieferung durch Drittanbieter abwickeln ließ, erklärte Konzernsprecherin Barbara Agraite. Das würde den Kunden von Amazon »den gleichen großartigen Service und noch mehr Einsparungen bieten«. L’Écuyer hält diese Begründung für unglaubwürdig, schließlich würden die restlichen Standorte in Kanada ja nicht schließen, nur jene in Québec. Die Gewerkschaftsführung teilte mit, die Pläne würden gegen geltendes Recht verstoßen. Als erste Beschäftigtenvertretung an einem kanadischen Amazon-Standort überhaupt wurde die CSN erst vor etwa einem Jahr zugelassen.

Nach kanadischem Arbeitsrecht darf eine Gewerkschaft nur dann Tarifverträge mit einem Betrieb aushandeln, wenn sie behördlich für den jeweiligen Betrieb zugelassen ist. Amazon hatte daher versucht, die Zulassung der CSN mit einer Klage anzufechten, diese aber vor dem Arbeitsgericht der Provinz im Oktober verloren, berichtete der Toronto Star seinerzeit. Die CSN hatte dem Konzern vorgeworfen, Gewerkschaftsmitglieder mit Angst- und Panikmache unter Druck zu setzen. Das falle dem Unternehmen leicht, weil viele Amazon-Beschäftigte an den Québecer Standorten kaum französisch sprächen, erklärte L’Écuyer im jW-Gespräch. Wegen der harten Arbeit und damit zusammenhängender gesundheitlicher Probleme würden viele Kolleginnen und Kollegen nach ein bis zwei Jahren schon wieder kündigen, so der Gewerkschafter.

Zuletzt hatte sich die Gewerkschaft in Verhandlungen über den ersten Tarifvertrag der Laval-Arbeiter befunden. Die 300 Gewerkschaftsmitglieder hatten eine Lohnerhöhung um sechs Kanadische Dollar auf dann 26 Dollar (rund 17 Euro) pro Stunde gefordert. Für Ende Januar waren mit dem Konzern weitere Verhandlungsrunden geplant. Der Schritt von Amazon erinnert den CSN-Sprecher L’Écuyer an Filialschließungen der US-Handelskette Walmart vor 20 Jahren in der kanadischen Stadt Jonquière, ebenfalls in Québec. Auch dort seien Standorte des Einzelhändlers geschlossen worden, um gewerkschaftliche Arbeit zu verhindern.

Nach sechs Monaten in Verhandlungen mit der Gewerkschaft habe Amazon wohl erkannt, dass der Standort Laval nur den Beginn der gewerkschaftlichen Organisierung beim Konzern darstelle, hatte Vivek Astvansh, Wirtschaftsprofessor an der McGill-Universität in Montreal, der dortigen Montreal Gazette erklärt. Auf Québec würden weitere Provinzen folgen. Astvansh hat den Zusammenhang zwischen gewerkschaftlicher Organisierung von Beschäftigten und deren Entlassungen eingehend untersucht. Amazons Vorgehen sei dahingehend »nicht überraschend«. Die CSN und die Beschäftigten wollten das Union Busting des US-Konzerns nicht dulden, gibt sich L’Écuyer im jW-Gespräch noch kämpferisch: Die Gewerkschaft werde nun schnell alle ihre Möglichkeiten prüfen »und weiter gegen die Schließung mobilisieren«.

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