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Aus: Ausgabe vom 12.02.2025, Seite 5 / Inland
Zukunft des Deutschland-Tickets

Zurück in den Tarifdschungel

CDU und CSU stellen Fortführung des Deutschland-Tickets offen in Frage. Verkehrsunternehmen warnen vor Wiederbelebung alter Preisstrukturen
Von Ralf Wurzbacher
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Ende einer »Erfolgsgeschichte«? Das Deutschland-Ticket ist nach wie vor beliebt (Hauptbahnhof Rostock)

Dem sogenannten Deutschland-Ticket droht die Abwicklung. Wie schon so oft. Nachdem der Bestand des bundesweiten Nah- und Regionalverkehrstarifs auf den letzten Drücker für das laufende Jahr gesichert werden konnte, steht hinter der Anschlussfinanzierung einmal mehr ein großes Fragezeichen. Bayern will sich nicht länger an den Kosten beteiligen. Schließlich sei das Angebot – »wie der Name schon sagt – ein Wunsch des Bundes« gewesen, tat Landesverkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) am Montag gegenüber dpa kund. Demnach müsste die kommende Bundesregierung die durch das Ticket bedingten Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen komplett aus eigener Tasche begleichen, während bisher die Bundesländer die Hälfte beisteuern.

Für den Fall einer künftig durch die Union angeführten Koalition wäre das wohl gleichbedeutend mit dem raschen Ende einer »Erfolgsgeschichte«. Am Montag gab das Portal Politico den CDU-Haushaltspolitiker Christian Haase mit den Worten wieder: »Wir müssen uns ehrlich machen: Über 2025 hinaus ist das Deutschland-Ticket nicht mehr zu finanzieren.« So klar hatte das in Reihen von CDU/CSU bisher noch keiner gesagt. Im Wissen um die Beliebtheit des Deutschland-Tickets war man eher darauf bedacht, eine Festlegung in der Frage zu meiden. Andererseits spricht das Wahlprogramm der Konservativen Bände. Das Wort »Deutschland-Ticket« taucht darin gar nicht auf. Statt dessen: »Ja zum Auto«, denn individuelle Mobilität sei der »Inbegriff von Freiheit«.

Eingeführt wurde das Deutschland-Ticket im Mai 2023. Es ermöglicht bundesweit Fahrten in sämtlichen Bussen und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs zum einheitlichen Monatspreis. Zu Jahresanfang stieg dieser um fast ein Fünftel von 49 Euro auf 58 Euro. Gleichwohl tat dies dem Zuspruch keinen Abbruch. »Wir sehen definitiv keine Kündigungswelle«, erklärte der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann, zu Wochenbeginn. Knapp zwei Drittel der Erlöse gingen im Vorjahr allein auf den Verkauf des Tickets sowie die entsprechenden Zuschüsse durch Bund und Länder zurück. Auch vor diesem Hintergrund warnte Wortmann vor einem »Rückfall in das alte Ticketsortiment«, weil dann 13,5 Millionen Kunden wieder in die alten Preisstufensystematiken zurückgeführt werden müssten. Dass es nicht schon, wie von der Branche angestrebt, 15 Millionen Nutzer sind, führt der Verbandschef auf den mäßigen Absatz des sogenannten Jobtickets zurück, das Betriebe ihren Beschäftigten zwecks Umstieg vom Auto auf die Bahn offerieren können. Ursache dafür seien die wiederholten Hängepartien darum, wie es mit dem Angebot weitergeht, so Wortmann.

Um wieviel Geld geht es? Bis dato musste die Politik Verluste von jährlich drei Milliarden Euro ausgleichen, was angesichts der gestiegenen Energie- und Personalkosten künftig nicht mehr reichen dürfte. Andererseits kann der VDV noch nicht absehen, wie sich der erhöhte Abopreis auf die Fahrgastzahlen und damit die Finanzsituation auswirken wird. Weitere Aufschläge sieht VDV-Geschäftsführer Oliver Wolff jedenfalls kritisch: »Die Quote der Kündigungen ist jetzt okay, aber wenn das Ticket 20 Euro teurer wird, dann wird’s auch schon eng.« Nach Verbandsangaben spitzt sich die wirtschaftliche Lage des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) immer weiter zu. Erhebliche Einsparungen und drohende Abbestellungen von Verkehren gehörten inzwischen zum Alltagsgeschäft. »Das attraktivste Ticket nutzt uns und den Fahrgästen nichts, wenn am Ende weniger Busse und Bahnen fahren.«

Ausgerechnet Volker Wissing, der das Deutschland-Ticket als Bundesverkehrsminister einst eher widerwillig an den Start brachte, tritt heute als dessen Retter in Erscheinung. Es abzuschaffen wäre »fatal«, befand er am Dienstag im TV-Sender Phoenix. Man habe damit den ÖPNV modernisiert, und »vor allen Dingen haben wir die arbeitende Mitte entlastet«. Offenbar gefällt sich Wissing nach Abgabe seines FDP-Parteibuchs neuerdings als Anwalt des »kleinen Mannes«. Das tut not: Die Liberalen wollen wie die Union die Deutsche Bahn zerschlagen, für »mehr Wettbewerb auf der Schiene«. Ein Einheitsticket wäre da fehl am Platz.

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