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Aus: Ausgabe vom 01.03.2025, Seite 7 / Ausland
Politische Gefangene

Bis zur nächsten Verhaftung

Israel entlässt Hunderte palästinensische Gefangene in zum Teil sehr schlechtem Gesundheitszustand
Von Gerrit Hoekman
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Moment der Erleichterung: Die Freigelassenen wurden am Donnerstag von Freunden und Angehörigen in Khan Junis empfangen

Kein Palästinenser war länger in israelischer Haft als Na’il Al Barghouti: Insgesamt 45 Jahre saß er hinter Gittern, 34 davon ununterbrochen. Am Donnerstag kam er im Rahmen des jüngsten Gefangenenaustauschs zwischen der Hamas und Israel frei, teilte der Palästinensische Gefangenenverein (PPS) mit. Nach Hause durfte der 67jährige aus dem Dorf Kubar bei Ramallah allerdings nicht zurückkehren – er wurde mit einem Bus nach Ägypten deportiert. Insgesamt entließ Israel am Donnerstag mindestens 641 Gefangene im Gegenzug für die Leichen von vier Israelis.

Barghouti war 1978 zum ersten Mal verhaftet worden, weil er an Angriffen auf die israelische Armee beteiligt gewesen sein soll. Damals war er Mitglied von Jassir Arafats Fatah. Barghouti saß bis 2011 in Haft, bis er Teil des Gefangenenaustausches war, bei dem die Hamas den Soldaten Gilad Schalit an Israel übergab. Noch im selben Jahr kandidierte Barghouti bei der vorerst letzten Parlamentswahl in Palästina auf der Hamas-Liste »Jerusalem ist unser Versprechen«. Nur drei Jahre später wurde er erneut festgenommen und wieder zu lebenslanger Haft verurteilt.

Während Barghouti auf den ersten Blick einen stabilen Eindruck machte und noch aus dem Bus heraus einen kurzen, kämpferischen Gruß an die notleidende Bevölkerung in Gaza richtete, befanden sich viele der Freigelassenen in einem sehr schlechten Gesundheitszustand. Kasim Sawahra zum Beispiel lag monatelang im Koma und wurde vom Roten Halbmond umgehend in ein Krankenhaus bei Betlehem gebracht. Einigen anderen fehlten Gliedmaßen, die ihnen anscheinend während der Haft amputiert werden mussten, da ihnen vorher die notwendige Behandlung verweigert worden war.

»Ihre Körper und ihr Aussehen zeugen von den schweren Verbrechen, denen sie bis zur letzten Sekunde ausgesetzt waren, darunter verschiedene Formen von Folter, schwere körperliche Angriffe, die Verweigerung medizinischer Hilfe und Verhungernlassen«, protestierte die palästinensische Gefangenenorganisation am Donnerstag in einem Statement gegen die unmenschliche Behandlung in den israelischen Gefängnissen. »Mindestens 60 palästinensische politische Gefangene wurden seit Oktober 2023 in den zentralen Gefängnissen und Militärlagern der Besatzer im ganzen Land direkt oder indirekt getötet. Das Leben Tausender weiterer Gefangener ist in Gefahr.«

Alle, die jetzt im Zuge des Gefangenenaustausches freikamen, würden sich fragen, wann sie erneut verhaftet werden. »Die Wiederverhaftung freigelassener Gefangener ist eine historische Politik, die von Israel seit Jahrzehnten praktiziert wird.« Die Besatzung setzte »Staatsterrorismus ein, um die entlassenen Gefangenen und ihre Familien zu unterdrücken, indem sie ihre Häuser stürmt, sie und ihre Familienmitglieder angreift und ihnen mit erneuter Verhaftung und Mord droht«, so die PPS. »Wir erinnern daran, dass nach wie vor mehr als 10.000 identifizierte palästinensische politische Gefangene in den Gefängnissen und Militärlagern der Besatzung unter äußerst schwierigen Bedingungen festgehalten werden.«

Unterdessen nimmt die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit zwei Gesetzesvorhaben israelische Kriegsgegner ins Visier. »Das Ziel ist klar: Menschenrechtsgruppen, einschließlich B’Tselem, zu eliminieren, Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen und uns daran zu hindern, unseren Auftrag zur Verteidigung der Menschenrechte zu erfüllen«, schrieben die israelischen Menschenrechtler von B’Tselem am Montag in einer Stellungnahme. »Israel begeht weiterhin Verbrechen und setzt sich über alle Gesetze, Normen und moralischen Grundsätze hinweg. Jetzt versucht es, seine Verbrechen zu verbergen und diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sie dokumentieren und berichten.«

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