Feindseliges Symbolbild
Von Dieter Reinisch
Zuletzt sind mehrere Bücher erschienen, die die Rolle der westlichen Leitmedien aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch analysieren. Sie alle zeigen auf, wie Medien die proklamierte »Unabhängigkeit« in der Berichterstattung verlieren und zu Instrumenten der Propaganda für Konfrontationspolitik und Krieg werden. Grundbedingung ist, den auserkorenen Gegner als Feind darzustellen, um die Öffentlichkeit auf die Linie der Regierung festzulegen. In der Medienwissenschaft nennt sich dieses Vorgehen »Framing«. Dadurch wird eine Wirklichkeit konstruiert, die einen »zulässigen« Rahmen für die Diskussion und Interpretation öffentlicher Angelegenheiten durch das Publikum bildet. Neu ist diese Technik aber keineswegs. Vor fast zwei Jahrzehnten etwa zeigte eine Studie über die Kuba-Berichterstattung der Washington Post, wie systematisch und beflissen darin Fidel Castro mit Augusto Pinochet gleichgesetzt wurde.
Mit einem Fall von »Framing« befasst sich auch ein schmales Buch von Wolfram Adolphi, indem die Berichterstattung deutscher Zeitungen und Zeitschriften über die chinesische Revolution und speziell Mao Zedong bis 1949 ausgewertet wird. Adolphi zeigt, wie aus dem Ende der 1920er Jahre in Deutschland noch unbekannten Revolutionär das nach 1949 im Westen vorherrschende, feindselige Symbolbild für die chinesische Revolution entwickelt wurde.
1930 tauchte ein »Tschu-Mao« erstmals im sozialdemokratischen Vorwärts auf, etwas davor in der kommunistischen Roten Fahne, in der die revolutionäre Entwicklung in China vergleichsweise aufmerksam verfolgt wurde. Doch vor allem die konservativen Zeitungen prägten die deutsche Debatte. 1931 schrieb die katholische Sächsische Volkszeitung: Wo die »Roten« in China die Macht übernehmen, würden sie Reaktionäre ausrotten, Landeigentümer bestrafen, Privateigentum beschlagnahmen und die Arbeiter »veranlassen«, Erhöhung der Löhne, Verringerung der Arbeitszeit und dergleichen »zu verlangen«. Diese Berichterstattung der konservativen Zeitungen fand Fortsetzung in den China-Darstellungen der faschistischen Presse, wie Adolphi darlegt. Dort war man sich sicher, dass jeder Schritt Maos auf direkt von Stalin aus Moskau per Funk übermittelte Instruktionen zurückgehe. »Der ›Mao Chuh-Teh‹ des Jahres 1935 war eine Phantasiegestalt wie der ›Tschu-Mao‹ des Jahres 1930 auch«, schreibt Adolphi. Es war eine Phantasiegestalt, die Nazideutschland für die Vorbereitung des Krieges an der Seite Japans aufbaute. Die Medien sicherten die Massenbeeinflussung in diesem Sinne; und es liegt auf der Hand, dass diese Vorarbeit die Berichterstattung über die 1949 gegründete Volksrepublik vorprägte. Was diese deutschen Journalisten, die über China schrieben, gemeinsam hatten, war, dass sie ihre Informationen aus zweiter und dritter Hand erhielten und nie selbst in China waren.
Doch es ging auch damals schon anders: In linken (Exil-)Zeitungen und Zeitschriften, etwa in der Weltbühne, schrieb ein Autor unter den Pseudonymen Asiaticus und Heinz Möller. Dahinter steckte der Kommunist Heinz Grzyb, der erstmals 1925 bis 1927 in China tätig war. Bei ihm finden sich informierte Einblicke in den Gang der chinesischen Revolution und zur Rolle von Mao. Dadurch war es ihm zum Beispiel möglich, bereits Mitte der 1930er Jahre die historische Bedeutung des »langen Marsches« aufzuzeigen. 1941 wurde er bei Kämpfen mit japanischen Truppen getötet. Adolphi hat kein Buch über Mao geschrieben, sondern ein Buch über die Anfänge des heute gängigen, vielfach aus einer Verbindung von Uninformiertheit und Meinungsfreudigkeit gespeisten deutschen China-Bildes. Und es geht auch um Mechanismen der Medienpropaganda. Die Lektüre von »Wie Mao in deutsche Köpfe kam« kann helfen, das aktuelle China-»Framing« deutscher Leitmedien ein wenig besser einzuordnen.
Wolfram Adolphi: Wie Mao in deutsche Köpfe kam. Eine Presseschau 1927–1949. Verlag am Park, Berlin 2025, 164 Seiten, 18 Euro
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