Besichtigen und Überwachen
Von René Lau
Wenn der Fußballfan außerhalb der Landesgrenzen seinen Herzensverein im Europapokal begleitet und zwangsläufig auch die jeweils gastgebende Stadt erkundet, wird der Fan schnell zum Touristen. Bei seiner Erkundungstour möchte der Tourist selbst eher ungern beobachtet werden. Wird er in der Regel auch nicht, es sei denn, er ist Fußballfan. Für Fußballfans gelten nicht nur hierzulande, sondern auch im Ausland besondere Maßnahmen. Eine davon ist die, dass die sammelwütige Polizei Daten über jeden einzelnen Fußballfan anhäuft, in der Regel, ohne ihn darüber zu informieren. Aber auch Überwachungsmaßnahmen, die von der Polizei angekündigt sind oder durch den jeweiligen Veranstalter bekanntgegeben werden, machen es nicht besser.
Hierzulande fordern Sicherheitsfanatiker eine digitale Gesichtserkennung. Was die bringen soll, ist unklar. Gegebenenfalls wird eine Handvoll Fans herausgefischt, die sich wegen eines Stadionverbots rechtswidrig im Stadion aufhalten. Ihre helle Freude dürften die Sicherheitsfanatiker allerdings haben, wenn sie an Dänemark oder Italien denken. So ist jetzt bekanntgeworden, dass vor und im Mailänder San-Siro-Stadion eine digitale Gesichtserkennung erprobt wird. Es soll sie bis zum Ende der Saison geben, um danach zu entscheiden, ob sie gängige Praxis wird. Interessant dürfte dies insbesondere für Fans des FC Bayern sein, die in Kürze dort in der Champions League zu Gast sein werden. In einem Land wie Italien, wo die Polizei Stadionverbote aussprechen kann, sollte sich jeder Bayern-Fan genau überlegen, ob er sich der Gesichtserkennung aussetzen möchte.
Im Norden Europas sieht es nicht viel besser aus. Bei Brøndby IF setzt man bereits seit 2019 auf eine digitale Gesichtserkennung. Beim Stadtrivalen FC Kopenhagen wird die digitale Gesichtserkennung seit Januar erprobt.
Einmal mehr sind die Fußballfans die Versuchskaninchen der Ermittlungsbehörden. Jeder, egal ob in Italien, Dänemark oder hierzulande, sollte sich allerdings darüber im klaren sein, dass Ermittlungsbehörden derartige Maßnahmen nicht allein auf Fußballfans anwenden werden. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis derartige Überwachungsmaßnahmen flächendeckend auch andere Teile der Gesellschaft betreffen. Die Devise kann nur sein: »Wehret den Anfängen«.
»Sport frei!« vom Fananwalt.
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