Aus Leserbriefen an die Redaktion

»Sternstunde der Demokratie«
Zu jW vom 19.3.: »Ermächtigung zur Aufrüstung«
Ein Misstrauensvotum beendet eine Kanzlerschaft und führt zur Neuwahl des Bundestages. Der angehende neue Kanzler lässt jetzt mit dem alten Parlament, dessen Auflösung er ja vorangetrieben hatte, das Grundgesetz – welches als provisorisches Verfassungswerk in der BRD nie durch das Volk abgestimmt wurde und entgegen Artikel 146 auch im Augenblick der vermeintlichen Wiedervereinigung nicht durch eine Verfassung auf der Grundlage einer gesamtdeutschen Volksentscheidung ersetzt wurde – ändern. Hunderte bis Tausende Milliarden werden jetzt auf Pump ausgegeben. Schulden für Generationen. Und das bei real im Grunde nicht vorhandenem Wirtschaftswachstum. Alles für Tod und Vernichtung und bestimmt durch ein Parlament, welches wir am 23. Februar 2025 gar nicht gewählt haben. Und ausgerechnet das Volk kann das noch nicht einmal verhindern. Welch eine Sternstunde der Demokratie! Könige, Kaiser und Diktatoren müssten sich in ihren Gräbern beinahe totlachen, wenn sie das nicht schon wären!
Muriel Kröger, Greiz
»Vom Standort in den Unterstand«
Zu jW vom 18.3.: »Fünf vor zwölf«
Mitten in den Verhandlungen zu den kommenden, nicht mehr gedeckelten Kriegskrediten 2.0 biedern sich IG Metall und IG BCE an ihrem »Aktionstag« am 15. März burgfriedenslinientreu mit der Bitte um eine nationale, standortsichernde neue »Industriepolitik« bei der zukünftigen Kriegsregierung Merz an. Dabei verkennen sie scheuklappenblind, dass es keine Kredit- und Steuerfinanzierte »Industriepolitik« gibt, die nicht zulasten der arbeitenden Menschen und unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen auf abhängige Beschäftigung Angewiesenen gibt. Und es ist nicht einmal ironisch gemeint, darauf hinzuweisen, dass »Standort« in der Ursprungsbedeutung eine militärische Bezeichnung ist für einen Ort, an dem Truppenteile, militärische Dienststellen und ähnliches ständig untergebracht sind. Die historische Erfahrung lehrt: Der Kniefall der organisierten Arbeiter*innenbewegung vor dem militärisch-industriellen Komplex führt direkt vom Standort in den Unterstand; erst in den Schützengraben und dann ins Massengrab! Dieser kapitulantenhaften, standpunktlosen, anbiedernden und durch keinen (!) Beschluss der Organisation gedeckten Positionierung der Gewerkschaftsführung muss die gewerkschaftliche Gegenwehr der Mitgliedschaft im Kampf um Frieden, soziale Sicherung, gegen die weitere Vernutzung unserer Mitwelt und für gute (!) Arbeit gelten. Damit wird ausdrücklich nicht die schwierige Situation der jeweils von der Drohung mit Jobverlust betroffenen Kolleg*innen übersehen – im Gegenteil. Gewerkschaftliche Interessenvertretung bedeutet den Kampf für Rüstungskonversion, für die sozial-ökologische Transformation, gegen die behauptete »Neutralität« der Marktnachfrage und die Verfügungsmacht und das Alleinbestimmungsrecht der Kapitaleigner über die Produktpolitik; ganz im besten Sinne des im Artikel 9, Absatz 3 Grundgesetz garantierten Koalitionsrechts, des Rechts, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen – bis zum politischen Massenstreik.
Andreas Buderus, Berlin
Krisenindustrie
Zu jW vom 18.3.: »Fünf vor zwölf«
(…) VW zahlt vergangenes Jahr 4,5 Milliarden Euro an Aktionäre und hat somit keine vier Milliarden Euro für Investitionen, deshalb werden Werke zugemacht und Beschäftigte entlassen. Mit einem entlassenen VW-Beschäftigten sind mindestens zwei entlassene Mitarbeiter im Zulieferbetrieb und Dienstleistungen verbunden. Andererseits werden 15 Milliarden Euro in den USA investiert. Aber die USA sind doch kein Billiglohnland wie Deutschland?
(…) Der bestbezahlte Dax-Manager kam 2023 aus der kriselnden Autobranche: VW-Chef Oliver Blume verdiente laut einer Studie des Anlegerschutzvereins DSW rund 10,3 Millionen Euro inklusive seines Gehalts als Porsche-Chef. Die Profitmaximierung und damit verbundene Wirtschaftskrise lösen der VW-Chef und sein Team auf Kosten der Beschäftigten. Das ist die Ursache für die Wirtschaftskrise in der Automobilindustrie, als größte Industriesparte in Deutschland, mit über 857.336 Beschäftigten. Wundern wir uns dann über die vielen AfD-Wähler deutschlandweit? Eine sachliche Auseinandersetzung mit der aktuellen Politik ist ohne die Lösung der Inflations-, Wirtschafts-, Wohnungs-, Gesundheits- und Bildungskrise nicht möglich. (…)
Stanislav Sedlacik, Weimar
»Angedient und verkauft«
Zu jW vom 18.3.: »Fünf vor zwölf«
Was bewirken Aktionstage der IG Metall, wenn sie sich in sozialpartnerschaftlichen Appellen verlieren, in Bettelei beim Klassenfeind enden. (…) Was haben Gewerkschaften in ihrer langen Geschichte jemals erreicht, dem Kapital abringen können, ohne die Verbote zu ignorieren, die ihnen das Kapital auferlegt hat?
1879 schrieben Marx und Engels an führende Sozialdemokraten: »Wo der Klassenkampf als unliebsame ›rohe‹ Erscheinung auf die Seite geschoben wird, da bleibt als Basis des Sozialismus nichts als ›wahre Menschenliebe‹ und leere Redensarten von ›Gerechtigkeit‹.« Klassenkampf sei heute Geschichte, predigen die Eliten und ihre Getreuen im Geiste. (…)
Gewerkschaften müssen sich ihrer politischen Rolle und Funktion wieder bewusst werden. Davon sind ihre Führungen weit entfernt, die sich als Stabilisatoren des Ausbeutungsverhältnisses dem Kapital weitgehend angedient und verkauft haben. Es besteht nur die eine Chance: Alle gewerkschaftliche Regung, die den Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit zum Thema und Ausgangspunkt macht, zu fördern und zu unterstützen.
Roland Winkler, Aue
In den Verhandlungen zu den Kriegskrediten 2.0 biedern sich IG Metall und IG BCE an ihrem ›Aktionstag‹ burgfriedenslinientreu mit der Bitte um eine nationale, standortsichernde neue ›Industriepolitik‹ bei der zukünftigen Kriegsregierung an.
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