Erneut Dürre
Von Wolfgang Pomrehn
Erstmalig seit Dezember gibt es in Teilen Deutschlands wieder etwas ergiebigere Niederschläge. Allerdings werden diese bei weiten nicht ausreichen, das zum Teil erhebliche Regendefizit auszugleichen, das seit Januar besteht. Je nach Region fehlten bis zum Wochenende 50, 60 oder auch 70 Prozent des seit Jahresbeginn sonst üblichen Niederschlags. Besonders drastisch war der Regenmangel im Norden, etwa auf Helgoland oder in Kiel. Auch im angrenzenden Dänemark und in Teilen des südlichen Schwedens war das Jahr bisher viel zu trocken. Am Rhein und im Bodensee herrscht wegen der Trockenheit inzwischen Niedrigwasser, was der Binnenschiffahrt zu schaffen macht. In Köln lag der Pegel Mitte letzter Woche bei 163 Zentimeter, dem niedrigsten Stand seit November 2023. Das Magazin Agrar Heute berichtet auf seiner Internetplattform, dass dadurch die Preise für den Transport von Getreide, Soja und Düngemitteln steigen. Die Kähne müssen ihren Tiefgang vermindern und können nicht mehr voll beladen werden. Die Speditionen würden von ihren Kunden sogenannte Kleinwasserzuschläge verlangen.
Ursache für die niedrigen Pegel ist nicht nur der ausgebliebene Regen, sondern auch zuwenig Schnee in den Alpen, der im Frühjahr den Oberlauf des Rheins mit Schmelzwasser füllen sollte. Eigentlich sind diese und die beiden folgenden Monate jene mit den höchsten Wasserständen im Rhein, meint Monica Ionita-Scholz, die am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven über Dürren und andere Extremwetterereignisse forscht. Um den Fluss wieder auf sein normales Niveau zu bringen, müsste es länger als einen Monat überdurchschnittlich regnen. Die einsetzende Schneeschmelze sei nicht ausreichend, den bisher fehlenden Regen zu ersetzen.
In der Land- und Forstwirtschaft macht man sich derweil Sorgen, weil der Oberboden austrocknet. Dieser ist für die Jahreszeit in weiten Teilen des Landes viel zu trocken, schreibt Andreas Brömser von der Abteilung Agrarmeteorologie des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auf Anfrage der jW. Im großen und ganzen habe die Landwirtschaft aber bisher keine Probleme. Nur vereinzelt würden Schwierigkeiten gemeldet. Allerdings braucht die Saat zum Keimen Feuchtigkeit, und insofern kommt der in diesen Tagen fallende Regen gerade richtig, darf aber keine Ausnahme bleiben. Die im aktuellen DWD-Wochenbericht angekündigten Niederschläge von zwei bis zehn Millimetern werden nur einen Bruchteil des Defizits wettmachen. Die Daten des Dürremonitors des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Sachsen und Sachsen-Anhalt zeigen, dass insbesondere an den Küsten und in Nordwestdeutschland die Böden bis in 25 Zentimetern Tiefe für die Jahreszeit viel zu trocken sind.
Der tieferliegende Grundwasserspiegel ist allerdings noch nicht betroffen. Durch mehrere ausgesprochene Dürrejahre von 2017 bis zur ersten Hälfte 2023 war er vielerorts stark abgefallen, was unter anderem zu verheerenden Verlusten in den Wäldern geführt hatte. Im niederschlagsreichen Zeitraum von Mitte 2023 bis Ende 2024 hat er sich jedoch wieder erholt, heißt es beim DWD.
In den Wäldern wächst derweil aufgrund der großen Trockenheit die Gefahr von Bränden. Der DWD-Waldbrandgefahrenindex liegt seit März meist bei mäßig bis hoch. Das ist viel für die Jahreszeit, komme jedoch mitunter im Frühjahr vor, so Brömser. »Eine Reihe von sonnig-warmen und eventuell windigen Tagen reicht aus, um die auf dem Boden aufliegende Streuschicht (…) durchzutrocknen und damit sehr zündfähig werden zu lassen.«
In der Landwirtschaft stellt sich die Situation etwas komplizierter dar, wie Til Feike vom Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Kleinmachnow bei Potsdam erläutert. Im Augenblick richte die Trockenheit keinen nennenswerten Schaden an. Die Pflanzen bekämen noch genug Wasser, und die Felder, die zu dieser Jahreszeit sonst oft gesättigt mit Feuchte seien, könnten leichter bearbeitet werden. Es habe auch schon Jahre gegeben, in denen sich die Aussaat erheblich verzögerte, weil die Felder nicht befahrbar waren. Aber: »Die außergewöhnlich trockene Situation im Oberboden kann sich im Falle länger anhaltender Trockenheit und fortwährend unterdurchschnittlicher Niederschläge in den kommenden Wochen und Monaten als schwere Hypothek darstellen«, so Feike. Es kommt eben alles auf das Wetter der nächsten Wochen an.
Ursache für den extrem trockenen März – in den Aufzeichnungen des DWD einer der trockensten je registrierten – war ein sehr ortsfestes Hochdruckgebiet über Mitteleuropa. Eine derartige Wetterlage ist eigentlich eher im April als im März zu erwarten, meint AWI-Forscherin Ionita-Scholz. Verantwortlich dafür war ein ungewöhnliches Verhalten des sogenannten Jetstreams, einer Höhenströmung, die in unseren Breiten das Wettergeschehen bestimmt.
Der Jetstream mäandert wellenförmig in den gemäßigten Breiten beider Hemisphären jeweils um den ganzen Planeten. Bleiben seine Wellen stehen, tun dies auch die Hoch- und Tiefdruckgebiete. So wie im März geschehen. Das Ergebnis sind verregnete Wochen wie im März in weiten Teilen Spaniens oder eben lange ausbleibender Regen wie hierzulande.
Ionita-Scholz nimmt an, dass die Ursache im hohen Norden zu suchen sei. Dort hat die geringe Ausdehnung des Meereises zu höheren Temperaturen geführt und damit den Gegensatz zwischen Nord und Süd abgeschwächt. Dieser wiederum wirkt als Motor des Jetstreams. Verringert sich der Temperaturkontrast, wird die Amplitude der Jetstreamwellen größer, das heißt, die Höhenwinde greifen weiter nach Norden und Süden aus. Zugleich verlangsamen sich ihre Wellen, so wie im März und Anfang April geschehen.
Die AWI-Klimatologin weist weiter darauf hin, dass in Mitteleuropa die Dürreperioden länger und intensiver werden. Da zugleich die Temperaturen ansteigen, würde der Effekt aufgrund der verstärkten Verdunstung noch verschlimmert. Bei weiter steigenden Temperaturen sei daher in Mitteleuropa künftig eine erhebliche Belastung der Wasserressourcen zu erwarten.
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