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Keine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt

Wirtschaftsminister: skeptische Äußerungen »völlig daneben«

Der oberste »Wirtschaftsweise« Herbert Hax sieht noch keine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Der derzeitige Rückgang der Arbeitslosigkeit signalisiere zwar »eine Entspannung, er zeigt aber keine grundlegende Tendenzwende an«, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung am Montag. Anders als die Bundesregierung, die für 1998 mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenzahl von 4,3 Millionen rechnet, geht Hax von 4,5 Millionen aus. Der Grund: Es sei noch kein Prozeß eingeleitet worden, der den hohen Sockel an Arbeitslosigkeit beseitigen könne, der sich über 25 Jahre aufgebaut habe. Das Hauptproblem liege darin, daß durch den Strukturwandel Arbeitsplätze wegfielen und dieser Verlust durch die neu entstandenen Stellen nicht ausgeglichen werden könne.

Auch der Leiter des Kieler Institutes für Weltwirtschaft, Horst Siebert, äußerte sich zurückhaltend über die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Zwar habe es eine »deutliche Besserung« gegeben. Notwendig für eine »nennenswerte« Verringerung der Arbeitslosenzahl wäre aber ein wirtschaftlicher Aufschwung über mehrere Jahre hinweg. Zudem sei nicht genügend getan worden, um den schubweisen Anstieg der Arbeitslosigkeit in der nächsten Rezession zu verhindern. Während Siebert die ausbleibende Steuerreform für die ausbleibende Trendwende verantwortlich machte, forderte Hax zusätzlich weiterhin moderate Löhne und ein »flexibleres« Tarifsystem.

Regierungssprecher Otto Hauser und Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt wiesen die Äußerungen umgehend zurück. Rexrodt sagte, Hax liege mit seiner Einschätzung »völlig daneben«, die Trendwende am Arbeitsmarkt sei »eindeutig« da. Das werde auch von allen führenden Konjunkturexperten so gesehen. Hauser sagte, in den vergangenen vier Monaten habe sich die Zahl der Arbeitslosen um 750 000 verringert. Allein im Juni habe es mit 122 000 weniger den stärksten Rückgang im Juni seit 1990 gegeben. Auch in den neuen Ländern habe jetzt die Trendwende eingesetzt.

Diese sieht der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, noch nicht. Jagoda erwartet weniger als vier Millionen Erwerbslose frühestens Ende September, vielleicht auch erst Ende Oktober. Im Winter müsse allerdings saisonbedingt mit einem erneuten Anstieg um 500 000 bis 750 000 gerechnet werden.

ADN/jW

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