Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 31.08.2006, Seite 12 / Feuilleton

Wo ist oben?

Ulrich Wickert moderiert die »Tagesthemen« ab
Von Martin Thomas
Wenn das der Köpcke wüßte: Ab morgen finden die »Tagesthemen« der ARD ohne Ulrich Wickert statt. Der Wohnzimmerguy, unser Karl-Heinz Köpcke of the Nineties, hört auf. Warum eigentlich auch nicht? Ulrich Wickert wird 1942 im faschistischen Tokio als Sohn des an der Deutschen Botschaft tätigen Rundfunkattachés Erwin Wickert geboren. Im Unterschied zum Vater startet er seine Karriere in der Demokratie: Auslandsstudium, Publizieren ohne Ende und ähnliche Stunts. Über die freie Mitarbeit beim Hörfunk kommt er zum Fernsehen und wird dort auch noch nach den »Tagesthemen« bleiben. In den wilden Jahren zwischen 1969 und 1977 (Studentenbewegung bis Punk-Rock) arbeitet er beim ARD-Politmagazin »Monitor«, macht dort kritisches politisches Fernsehen, was es in dieser Form leider nicht mehr gibt.

Danach geht es weiter nach ganz oben in der ARD, auch wenn man manchmal echt überlegen muß, wo »oben« in der ARD ist. 1991 schließlich hat er es geschafft: Er ist der Nachfolger von Hanns Joachim Friedrichs, Mr. Tagesthemen, Anchormänneken und erster Moderator. Einen Teil seiner Kindheit hat er in Paris verbracht, Papa war ja dort Referent der deutschen Botschaft bei der NATO, später geht er selbst als Korrespondent des Frankreichstudios der ARD in die Seinemetropole und wird frankophil. Nur er traut sich, den Namen des russischen Präsidenten auf französisch auszusprechen. Die spannendste Anekdote aus seinem Berufsleben ist vielleicht die, als er den von Arundhati Roy gezogenen Vergleich zwischen George Bush und Osama bin Laden zitiert und deshalb von der größten deutschen Tageszeitung ein Fernsehverbot für Wickert gefordert wird. Privat hält er sich in alter sozialdemokratischer Alphamännchentradition (Schröder, Fischer, Beckenbauer) nicht mit einer Ehe auf, sondern ist mittlerweile zum dritten Mal verheiratet. Seine jetzige Ehefrau Julia Jäkel ist 29 Jahre jünger als er und wurde in seinen »Monitor«-Jahren geboren. Der Krawattenmann des Jahres 2005 und Honorarprofessor an der Fachhochschule Magdeburg-Stendal hat viele Bücher (vier Seiten bei Amazon!) geschrieben und wird wohl noch einige seinem Œuvre hinzufügen. Ein »Sachbuch über das deutsche Selbstbewußtsein« ist bereits angekündigt. Neben Frankreich und politischen Themen zeigt Wickert auch gerne den moralischen Zeigefinger. Ulrich Wickert ist einer der ganz wenigen aus seiner Alterskohorte mit einer Festanstellung gewesen (sieht man von den scheinbar unkündbaren Politkern einmal ab). Wir wünschen ihm einen angenehmen Abend und eine geruhsame Nacht.



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