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Aus: Ausgabe vom 20.09.2006, Seite 14 / Feuilleton

Diätpulverkauf beim Arzt ist verboten

Vitaminpillen oder Diätpulver zum Abnehmen beim Arzt kaufen – dieser Trend ruft Ärztekammer und Verbraucherschützer auf den Plan. Sie sind besorgt über die Verquickung von Heilberuf und wirtschaftlichen Interessen. Denn solch eine Doppelrolle ist klar verboten.

Ein Arzt darf seinen Beruf und seine besondere Autorität nicht zum Verkauf oder zur Bewerbung von Produkten ausnutzen. Patienten sollen sich darauf verlassen können, daß er nicht von Gewinnstreben geleitet wird. So ist es in der Berufsordnung der Mediziner klar geregelt, wie Hans-Jörg Freese von der Bundesärztekammer (BÄK) in Berlin betonte: »Die rechtliche Lage ist eindeutig.«

Trotzdem häufen sich Verstöße, wie Waltraud Fesser von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz beobachtet hat. In vielen Praxen sei eine Art »grauer Markt« entstanden. Patienten, die ihrem Arzt vertrauten und kauften, würden regelrecht überrollt. In Zeiten sinkender Verdienstmöglichkeiten scheint es für niedergelassene Ärzte verlockend, sich neue Einkommensquellen zu erschließen. Auch die Verbraucherzentrale in Sachsen weiß von »einzelnen Ärzten«, für die offenbar »die Praxis nicht nur als Ort der Diagnose und Behandlung von Patienten dient, sondern auch Verkaufsstätte für Nahrungsergänzungen, teure Trinkwasserfilter oder Diätprodukte wird«, wie sie in einer Presseinformation mitteilte. Ärzte dürften unverkäufliche Muster von Medikamenten etwa, die Bestandteil der ärztlichen Therapie sind, ausschließlich verschenken. So schreibe es ihre Berufsordnung vor. Dies diene der ärztlichen Unabhängigkeit. Und: Das besondere Vertrauen eines Patienten gegenüber seinem Arzt dürfe nicht zur Verkaufsförderung von Produkten mißbraucht werden. Patienten falle es in der Regel schwer, angepriesene Produkte abzulehnen oder sich Zeit für eine zweite Meinung oder einen Preisvergleich zu erbitten.

Wer also während der Sprechstunde vom Doktor Pülverchen zur Gewichtsreduzierung angeboten bekommt, sollte getrost ablehnen. Auch von Offerten des Praxispersonals muß sich kein Patient unter Druck setzen lassen. »So etwas ist klar untersagt«, mahnt auch Ulrike Dzengel, Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen, zur Vorsicht. Nahrungsergänzungen oder anderes darf der Arzt höchstens dann empfehlen, wenn sie notwendiger Bestandteil der Therapie sind. Als Ausnahme gelten die Abgabe von Kontaktlinsen in Augenarztpraxen oder von Hörgeräten beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt.

Gegen seine Berufsordnung handelt ein Arzt auch dann, wenn er bei der Behandlung konkrete Empfehlungen für bestimmte Gesundheitsprodukte, Sanitätshäuser oder Apotheken ausspricht. »So etwas nennt sich Multi-level-Marketing: Der Arzt schwärmt beispielsweise von einem Supermittel zum Fitwerden, das auch seine Familie nehme«, berichtete Verbraucherschützerin Fesser. Bei Interesse gebe er dann die Telefonnummer des Patienten weiter. Auf glattes Parkett begibt sich ein niedergelassener Mediziner selbst dann, wenn er sich an einem Unternehmen beteiligt, das in seiner Praxis außerhalb der Sprechzeiten Kurse zur Ernährungsberatung abhält und dort wiederum Diätprodukte verkauft. Auch der Umweg zu nebenberuflichen Einnahmen über Ehefrau, erwachsene Kinder oder eine Arzthelferin ist berufsrechtlich äußerst problematisch. So darf ein Arzt nicht einfach direkt neben seiner Praxis einen »Vital Shop« eröffnen, in seinem Wartezimmer für die Produkte werben – und das Gewerbe selbst aus steuerlichen Gründen von seinem Sohn betreiben lassen. Gleiches gilt für angegliederte Kosmetikinstitute oder Fitneßstudios, die von Ehefrauen geführt werden. Grundsätzlich ist es Ärzten zwar gestattet, sich an Unternehmen wirtschaftlich zu beteiligen, wie BÄK-Vertreter Freese unterstrich. Sie müßten jedoch immer darauf achten, daß das Gewerbe in jeder Hinsicht streng von der Praxis getrennt sei.

Um Wildwuchs in diesem Bereich Paroli bieten zu können, haben Verbraucherschützer eine bundesweite Umfrage gestartet: Wer entsprechende Erfahrungen mit Ärzten gemacht hat, kann diese bis zum 30. September den Verbraucherzentralen vor Ort persönlich oder schriftlich mitteilen. Beispielsweise unter www.verbraucherzentrale-sachsen.de oder www.vz-rlp.de ist ein Fragebogen zum Herunterladen zu finden. Die anonymisierten Ergebnisse sollen mit Berufsverbänden und Politikern diskutiert werden, um strengere gesetzliche Regelungen zu erreichen.

(PI/jW)

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