Aus: Ausgabe vom 04.11.2006, Seite 16 / Aktion
Besondere Eigentumsform
Den beiden Kollegen, die mit ihrem letzten verfügbaren Geld diesen Verlag gründeten, war klar, daß sie nicht Haupteigentümer der jungen Welt bleiben wollen. Verabredet war, daß eine Genossenschaft entsteht, die die Mehrheit der Verlagsanteile übernimmt. Doch so etwas ist zunächst mit vielen bürokratischen Hürden verbunden. Als die überwunden waren, mußten genügend Genossinnen und Genossen für die neugegründete LPG junge Welt eG gefunden werden, die mindestens einen Anteil in Höhe von 1000 DM (heute 500 Euro) zeichnen. Im Frühjahr 1998 war es soweit: Die LPG übernahm die Mehrheit am Verlag 8. Mai GmbH. Mittlerweile haben 583 Personen 882 Anteile gezeichnet. Und damit kann man auch die erste Frage beantworten: Erstes Standbein der Finanzierung sind die Abonnements.
Wer finanziert die junge Welt
Das reicht aber nicht. Deshalb ist das zweite Standbein der Finanzierung die Genossenschaft: Mit dem dort angesammelten Kapital können diverse Werbekampagnen, Investitionen, Umzüge und andere außerordentliche Kosten des Verlages vorfinanziert oder bezuschußt werden. Außerdem hilft die Genossenschaft dem Verlag bei Liquiditätsengpässen. Und in den Jahren, in denen der Verlust zu groß ist, verhindert die Genossenschaft eine Überschuldung, indem sie einen Teil ihrer Kredite an den Verlag mit einem sogenannten Rangrücktritt versieht. Ausreichend Abonnements und genügend Genossenschaftsanteile haben also der jungen Welt bisher das Überleben gesichert. Aber es bleibt eine zentrale Aufgabe, die Zahl der Abonnements und die Zahl der Genossinnen und Genossen in der LPG zu entwickeln.Nachdem das Finanzierungsprinzip der jungen Welt geklärt ist, wollen die Gäste wissen: Welchen Einfluß hat die Genossenschaft auf die Inhalte der jungen Welt? Können da nicht einzelne Genossen mit besonders vielen Anteilen die Versammlung dominieren? Welche Rechte haben die Mitarbeitenden des Verlages gegenüber der Genossenschaft?
Wie ist die LPG organisiert
Zunächst kann zwar jedes Mitglied theoretisch bis zu 50 Anteile zeichnen. In der Praxis beteiligen sich die meisten mit einem bis drei Anteil(en). Es gibt auch einige, die mehr zeichnen–aber unabhängig von der Zahl der gezeichneten Anteile hat jedes Genossenschaftsmitglied nur eine Stimme in der Generalversammlung. Das Stimmrecht kann deshalb auch nicht übertragen werden. Die Rechte der Mitarbeitenden von Verlag und Redaktion sind durch ein spezielles Gremium, die Versammlung der mitarbeitenden Genossenschaftsmitglieder geschützt. Dieses Gremium wählt den Vorstand der Genossenschaft, während die Generalversammlung den Aufsichtsrat bestimmt, der den Vorstand kontrolliert. Es gibt auch die Möglichkeit, aus der Genossenschaft auszutreten – dabei sind allerdings längere Kündigungs- und Abwicklungsfristen zu beachten. Und ausgezahlt wird dann nicht unbedingt der eingezahlte Betrag, je nach geschäftlicher Entwicklung des Verlages kann das auch weniger sein. Wegen der Verluste in den Vorjahren und der Abwertung der Genossenschaftskredite werden im Moment bei Kündigungen etwa 70 Prozent des eingezahlten Betrages ausgezahlt. Doch die wenigsten Genossenschaftsmitglieder zahlen die Anteile mit der Absicht ein, sie eines Tages wieder zurückzufordern. Eine Nachzahlungspflicht besteht übrigens nicht, finanziell geht man also keine Verpflichtung ein – außer der Bezahlung des gezeichneten Anteils.Durch die klare Trennung von Verlag 8. Mai GmbH und Genossenschaft ist es möglich, als GmbH flexibel auf dem harten Markt zu agieren, aber trotzdem durch die Eigentumsform eine besondere Form der demokratischen Kontrolle abzusichern. Innerbetrieblich gelten im Verlag zum einen das Chefredakteursprinzip, wonach im inhaltlichen tagesaktuellen Streitfall bei der Zeitungsherstellung der Chefredakteur die Entscheidung trifft. Zum anderen hat die GmbH Geschäftsführer und Betriebsrat, die die üblichen Rechte und Pflichten haben. Unüblich jedoch ist, daß die Geschäftsführung nicht der Profitmaximierung im Interesse der Kapitalgeber verpflichtet ist, sondern den inhaltlichen Absichten der Genossenschaft, deren Mitglieder die Herausgeber der jungen Welt sind. Trotzdem müssen die entstehenden Kosten erwirtschaftet werden, weil ansonsten keine Firma in diesem Lande existieren darf– es sei denn, es kommt jemand für diese Verluste auf. Bei der jungen Welt kommt da nur die Genossenschaft in Frage. Monatliche Belegschaftsversammlungen sichern Informationsfluß und Mitwirkungsmöglichkeit, Kreativ- und Beratungsrunden tagen unregelmäßig verlagsöffentlich und bereiten Entscheidungen vor. Einmal jährlich diskutiert und berät die Belegschaft an einem Wochenende strategische Aufgaben. Dieses Gesamtmodell hat bisher erstaunlich gut funktioniert und geholfen, selbst größere Krisen zu überstehen.
Auch Sie können Mitglied der Genossenschaft und damit Mitherausgeber(in) der jungen Welt werden. Dazu füllen Sie den untenstehenden Aufnahmeantrag aus, informieren sich über die Satzung, die im Internet einsehbar ist (die wir auf Wunsch auch gerne zusenden). Der Vorstand entscheidet dann auf seiner nächsten Sitzung über die Aufnahme. Laut Satzung müssen Sie im Aufnahmejahr die erste Hälfte, im Folgejahr den Rest Ihres Anteils auf das Genossenschaftskonto einzahlen. Gerne können Sie den Betrag auch auf einmal – oder aber in mehreren Raten zahlen. Und da die junge Welt am 12. Februar 1947, also bald vor 60 Jahren gegründet wurde, hat der Vorstand beschlossen, daß mit Hilfe einer Kampagne bis zum 60. Jahrestag der Gründung der 1.000. Anteil gezeichnet sein soll. Als 1995 die Genossenschaft entstand, dachten wir im Traum nicht daran, daß eines Tages tatsächlich die 1000000-DM-(bzw. 500000-Euro-) Marke erreicht werden kann. Jetzt fehlen uns bis dahin noch 118 Anteile. Noch.
Vorstand der Genossenschaft LPG junge Welt e. G.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!