Aus: Ausgabe vom 27.04.2007, Seite 9 / Feuilleton
jW-Ortswechsel: Noch 1 Tag
Morgen ist es soweit. Wir verlassen – nicht ohne Wehmut – die Karl-Liebknecht-Straße und wandern mit Sack und Pack gut 200 Meter weiter. Seit 1999 wurde hier die junge Welt unter den Bedingungen des realen Kapitalismus gemacht. In jener Straße hatte die Zeitung zu DDR-Zeiten und während der Wende zum Guten fürs Kapital bereits 15 Jahre ihren Redaktionssitz. Sie ist Teil jener Ost-West-Tangente Berlins, die die Prenzlauer Allee mit der inzwischen von Konquistadoren wie Bertelsmann, ZDF oder Stiftung Preußischer Kulturbesitz okkupierten Prachtmeile Unter den Linden verbindet. Benannt nach dem ermordeten Gründer der KPD ist sie ein seltenes Relikt sozialistischer Straßenbenennung. Wir fanden uns immer gut aufgehoben in einer Straße dieses Namens. Moralisch jedenfalls.
Ganz praktisch war die Gegend meist eine Zumutung. Denn hier zeigt sich Berlin von seiner typischen Seite. Ständig wird irgend etwas abgerissen, manchmal etwas Neues gebaut, selten allerdings etwas gescheites. Hier wird gerade eine neue Straßenbahnstrecke gebaut. Monatelang ratterten Presslufthämmer, kreischten Trennschleifer und jaulten dieselgetriebene Stromaggregate. Gegenüber unserem Redaktionssitz ließ jemand einen achtgeschossigen DDR-Plattenbau schleifen – in törichter Hoffnung auf Investoren, die hier einen der vielen geplanten Wolkenkratzer rings um den Alexanderplatz bauen sollen. Aber Ruhe ist nicht das, was wir für den Sitz von Verlag und Redaktion der jW vorrangig suchten. Da hätten wir uns im braven Friedrichshainer Kietz ein Domizil suchen können oder gleich nach Köpenick ziehen sollen. In Berlins Mitte entstand die jW einst, und hier, wo das Leben tobt, gehört sie wohl auch hin. (jW)
Ganz praktisch war die Gegend meist eine Zumutung. Denn hier zeigt sich Berlin von seiner typischen Seite. Ständig wird irgend etwas abgerissen, manchmal etwas Neues gebaut, selten allerdings etwas gescheites. Hier wird gerade eine neue Straßenbahnstrecke gebaut. Monatelang ratterten Presslufthämmer, kreischten Trennschleifer und jaulten dieselgetriebene Stromaggregate. Gegenüber unserem Redaktionssitz ließ jemand einen achtgeschossigen DDR-Plattenbau schleifen – in törichter Hoffnung auf Investoren, die hier einen der vielen geplanten Wolkenkratzer rings um den Alexanderplatz bauen sollen. Aber Ruhe ist nicht das, was wir für den Sitz von Verlag und Redaktion der jW vorrangig suchten. Da hätten wir uns im braven Friedrichshainer Kietz ein Domizil suchen können oder gleich nach Köpenick ziehen sollen. In Berlins Mitte entstand die jW einst, und hier, wo das Leben tobt, gehört sie wohl auch hin. (jW)
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