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Aus: Ausgabe vom 14.07.1997 / Ausland

SFOR: Rotkreuz mißbraucht

Bosnien-Truppe tarnte sich bei Jagd auf Verdächtige

Die NATO-geführte Bosnien-Truppe SFOR hat am Sonnabend zugegeben, sich bei ihrem Einsatz gegen vermeintliche Kriegsverbrecher mit Rotkreuz-Zeichen getarnt zu haben. Wie die SFOR in einer in Sarajevo veröffentlichten Erklärung mitteilte, trugen die Soldaten bei ihrer Aktion gegen Milan Kovacevic ein Paket bei sich, das mit einem handgroßen Rotkreuz-Zeichen versehen war. Britische SFOR-Soldaten hätten sich im Krankenhaus von Prijedor vorgestellt und erklärt, dieses Paket solle Kovacevic übergeben werden. Zuvor hatten die bosnischen Serben der SFOR vorgeworfen, Abzeichen des Roten Kreuzes mißbraucht zu haben.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sei an dem Vorgang nicht beteiligt gewesen, hieß es in der SFOR-Erklärung weiter. Die Soldaten hätten jedoch in keiner Weise ihre Identität verheimlicht und niemandem einen Grund gegeben zu glauben, sie seien von einer anderen Organisation. Bei der Operation im bosnischen Prijedor war am Donnerstag der frühere Polizeichef der Stadt, Simo Drljaca, erschossen worden. Der wegen Verdacht des Völkermordes angeklagte Ex-Bürgermeister Milan Kovacevic wurde festgenommen und dem Haager Kriegsverbrechertribunal überstellt.

Der ehemalige Wiederaufbaubeauftragte für Bosnien, Bildt, kritisierte in einem Beitrag für die »New York Times« das Vorgehen der SFOR. Während er sein Amt ausgeübt habe, habe er stets die Festnahme zweier Hauptverdächtiger gefordert: des ehemaligen bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic und des bosnisch- kroatischen Verdächtigen Dario Kordic. Nun habe die NATO weniger wichtige Leute festgenommen.

Die SFOR dementierte am Sonnabend Berichte der jugoslawischen Nachrichtenagentur Tanjug, wonach die Truppe versucht haben soll, einen Politiker der radikalen Serbenpartei (SRS) in Pale festzunehmen. Diese Information sei »komplett falsch«, sagte ein SFOR-Sprecher in Sarajevo.

AFP/jW