Aus: Ausgabe vom 28.01.2008, Seite 15 / Politisches Buch
Ein exemplarischer Fall von Abschiebung
Am 31. Oktober 2006 wurde die kurdische Familie Yildirim mit ihren drei in Koblenz geborenen minderjährigen Kindern aus dem Kirchenasyl in St. Peter in Koblenz-Neuendorf in die Türkei abgeschoben. Die Eltern Yildirim waren zehn Jahre zuvor aus der Türkei geflohen, als sie zum Dienst als »Dorfschützer« gepreßt werden sollten, d. h. zur Kollaboration mit den Sicherheitsorganen und der Armee des Landes. Die Basisgruppe von Pax Christi und die Initiative »Christen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« in Koblenz wollen mit dem Buch »Abschiebung aus der ›Stadt zum Bleiben‹« an die Geschichte dieser Abschiebung »erinnern, widersprechen und weiterdenken«.
Emotionen werden nicht gescheut. Neben der Kritik am Verhalten von Verantwortlichen in Verwaltung und Politik sowie an den Medien werden auch grundsätzliche Fragen wie die nach dem Verhältnis von Recht und Humanität in der bundesdeutschen Gesellschaft aufgegriffen.
Das Buch schildert dokumentarisch den Beginn der öffentlichen Unterstützung für die kurdische Familie und die schockierenden Erfahrungen mit der Gleichgültigkeit und Brutalität öffentlicher Stellen. Auch in diesem Fall galt z. B. die UN-Kinderrechtskonvention den Behörden nichts. Obwohl der Trierer Bischof das Kirchenasyl, das den Yildirims gewährt wurde, unterstützte, drang ein Aufgebot von 25 Polizisten in die Pfarräume ein und brachte die Familie zur Abschiebung. In der Region bekundeten viele Menschen ihre Solidarität. Ein Besuch des Innenministers von Rheinland-Pfalz Karl Peter Bruch (SPD) bei der Koblenzer SPD war Anlaß für eine wütende Demonstration von etwa 100 Menschen, in der den Sozialdemokraten Lügen und Zynismus vorgeworfen wurden. In einem Flugblatt, hier wiederveröffentlicht, ist von »Deportation« die Rede. Die Empörung in der Bevölkerung nahm offenbar solche Ausmaße an, daß der SWR vor Ort geschickt wurde, um die Wogen zu glätten.
Ein Beitrag von Andreas Buro und Recherchen der Autoren zeigen auf, wie sehr die deutsche Politik dazu beiträgt, Fluchtursachen zu schaffen und gleichzeitig Flüchtlinge zu bekämpfen. Ausführlich wird die Tätigkeit des Baukonzerns Züblin in der Türkei vorgestellt, die von den Plänen der türkischen Regierung zum Bau von Staudämmen in Südostanatolien profitiert. Diese Projekte haben verheerende soziale Folgen für die einheimische Bevölkerung. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der deutschen Rechtslage, dem Kirchenasyl und Erlebnissen der »Initiative Ordensleute für den Frieden« von ihrem Pilgerweg zum G-8-Gipfel in Heiligendamm beschließen den Band. Kein Buch aus einem Guß, aber exemplarisch.
(jW)
Emotionen werden nicht gescheut. Neben der Kritik am Verhalten von Verantwortlichen in Verwaltung und Politik sowie an den Medien werden auch grundsätzliche Fragen wie die nach dem Verhältnis von Recht und Humanität in der bundesdeutschen Gesellschaft aufgegriffen.
Das Buch schildert dokumentarisch den Beginn der öffentlichen Unterstützung für die kurdische Familie und die schockierenden Erfahrungen mit der Gleichgültigkeit und Brutalität öffentlicher Stellen. Auch in diesem Fall galt z. B. die UN-Kinderrechtskonvention den Behörden nichts. Obwohl der Trierer Bischof das Kirchenasyl, das den Yildirims gewährt wurde, unterstützte, drang ein Aufgebot von 25 Polizisten in die Pfarräume ein und brachte die Familie zur Abschiebung. In der Region bekundeten viele Menschen ihre Solidarität. Ein Besuch des Innenministers von Rheinland-Pfalz Karl Peter Bruch (SPD) bei der Koblenzer SPD war Anlaß für eine wütende Demonstration von etwa 100 Menschen, in der den Sozialdemokraten Lügen und Zynismus vorgeworfen wurden. In einem Flugblatt, hier wiederveröffentlicht, ist von »Deportation« die Rede. Die Empörung in der Bevölkerung nahm offenbar solche Ausmaße an, daß der SWR vor Ort geschickt wurde, um die Wogen zu glätten.
Ein Beitrag von Andreas Buro und Recherchen der Autoren zeigen auf, wie sehr die deutsche Politik dazu beiträgt, Fluchtursachen zu schaffen und gleichzeitig Flüchtlinge zu bekämpfen. Ausführlich wird die Tätigkeit des Baukonzerns Züblin in der Türkei vorgestellt, die von den Plänen der türkischen Regierung zum Bau von Staudämmen in Südostanatolien profitiert. Diese Projekte haben verheerende soziale Folgen für die einheimische Bevölkerung. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der deutschen Rechtslage, dem Kirchenasyl und Erlebnissen der »Initiative Ordensleute für den Frieden« von ihrem Pilgerweg zum G-8-Gipfel in Heiligendamm beschließen den Band. Kein Buch aus einem Guß, aber exemplarisch.
(jW)
Abschiebung aus der »Stadt zum Bleiben«. Von Koblenz in die Türkei und mit Züblin zurück auf den Zentralplatz. Koblenz 2007, 240 Seiten, 10 Euro. Bezug: Egbert Wisser, Tel.: 0261/21355, E-Mail: egbert.wisser@web.de; Peter Weinowski, Tel.: 0261/63679, E-Mail: sigridpeter.weinowski.bonsai@t-online.de
Mehr aus: Politisches Buch
-
Mehr Schubkraft
vom 28.01.2008