Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: uni-spezial, Beilage der jW vom 23.04.2003

Gegen neue Dammbrüche

Die schrittweise Unterwerfung der Hochschulen unter die Fuchtel neoliberaler Marktfetischisten verlangt aktiven Widerstand
Von Ralf Wurzbacher

Sind die deutschen Hochschulen wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Wie man’s nimmt. Die Hörsäle sind überfüllt, die Bibliotheksbestände veraltet, die Bausubstanz bröckelt, und das Lehrpersonal reicht hinten und vorne nicht. Und was lehrt uns das? Richtig: Geld muß her, und tatsächlich sind sich darin auch alle einig. Bleibt nur die Frage, woher das Geld nehmen. Die Linken meinen vom Staat, die Wirtschaft fordert es von den Studierenden, und die Politik sagt sowohl als auch und macht mit der Wirtschaft im Hinterzimmer gemeinsame Sache.

Angefangen hat alles mit sogenannten Langzeitstudiengebühren. Vorreiter war bereits 1997 Baden-Württemberg, Niedersachsen, Thüringen und das Saarland zogen nach. Damit war der Damm gebrochen und der erste Schritt in Richtung allgemeiner Studiengebühren getan. Neue, »intelligente« und »sozialverträgliche« Gebührenmodelle schossen fortan fast im Monatstakt ins Kraut. Studienkonten, Zweitstudiengebühren, Bildungsdarlehen, nachlaufende Studiengebühren und kaum noch ein Bundesland, in dem keine sogenannte Strukturkommission aus Wirtschafslobbyisten und Polithardlinern im Verborgenen kungelt, um das Bildungssystem auf Markttauglichkeit, die Hochschulen zu Eliteaufzuchtanstalten und Studierende zu Bildungskonsumenten zu trimmen.

Die neoliberalen Protagonisten nennen solche Machenschaften »Reform«, die Linke spricht von »Abzocke« und »Bildungsklau«. Also zurück zur Ausgangsfrage: Sind die deutschen Hochschulen wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Nein. Zu fragen ist, wer sie aus welchen Motiven derart in Verruf gebracht hat. Fakt ist: Verglichen mit den USA, England, Österreich und vielen anderen Ländern hat sich im deutschen Hochschulsystem bei allen hausgemachten Schwächen über Jahrzehnte hinweg zumindest formal das sozialstaatliche Prinzip des freien, gleichberechtigten und kostenlosen Bildungszugangs behaupten können. Nicht wenige sehen darin ein Vermächtnis, das es zu bewahren und endlich auch in der Praxis einzulösen gilt. Andere diffamieren es als Erblast eines »gleichmacherischen Fürsorgestaates«, die ausgemerzt werden muß und alle anderen sozialen Sicherungssysteme gleich mit.

Weg mit dem Sozialklimbim, lautet das neoliberale Gebot der Stunde, mehr »Eigenverantwortung« und »Selbstbestimmung« müssen her. Für die Hochschulen bedeutet dies die schrittweise Unterwerfung unter die Fuchtel der Marktfetischisten. Wer sich bilden will und darüber (vielleicht) eines Tages in Lohn und Brot gelangt, soll sich dafür bitte schon voraus und zwar mit barer Münze erkenntlich zeigen. Im Gegenzug locken komfortable Studienbedingungen, Bibliotheken auf dem neuesten Stand, zukunftsweisende Studiengänge, international kompatible Abschlüsse, kürzere Studienzeiten, straffe Lehrpläne und lukrative Berufsfelder – kurzum: eine möglichst paßgenau auf die Verwertungslogik der Wirtschaft und die auf Kostendämpfung kaprizierten Hochschulen zugeschnittene Ausbildung.

Heute stehen wir noch am Anfang des Umstrukturierungsprozesses, erste Folgen an den Hochschulen sind aber bereits zu spüren. Mit dem jW-Uni-Spezial soll Aufklärung betrieben werden, wie der Stand der Entwicklung ist und mit welchen weiteren Folgen gerechnet werden muß. Zu Wort kommen mehrheitlich Studierende, die die vielfältigen Veränderungen im Uni-Alltag am eigenen Leib zu spüren bekommen und in Studentenbündnissen und -verbänden, Asten, Hochschulgruppen und Nichtregierungsorganisationen aktive politische Gegenwehr leisten. Was studentische Aktivisten brauchen, um den Vormarsch der neoliberalen Heilspropheten am Ende doch noch bremsen zu können, ist vor allem eines: Öffentlichkeit. Die junge Welt will hierzu ihren Beitrag leisten.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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