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Aus: freiheit für mumia, Beilage der jW vom 10.12.2003

Hinrichtung verhindern!

»Wir fordern eindringlich dazu auf, den Fall von Mumia Abu-Jamal zur höchsten Priorität im Kampf für Gerechtigkeit zu machen.« Erklärung des »Bundestreffens der Mumia-Abu-Jamal-Unterstützungskomitees« zu St

Der Journalist, Autor und ehemalige Black Panther Mumia Abu-Jamal, seit 9. Dezember 1981 in Haft und im Juli 1982 in Philadelphia zum Tode verurteilt, ist nach wie vor im Todestrakt. Das Urteil ist rechtskräftig, obwohl seine Verteidiger seit über zehn Jahren stichhaltige und für die Anklage erdrückende Beweise zusammentragen, die seine Unschuld belegen und ein Wiederaufnahmeverfahren zwingend machen.

Das »Bundestreffen der Mumia-Abu-Jamal-Unterstützungskomitees« wendet sich mit dieser Erklärung und dem nachfolgenden Aufruf an die Öffentlichkeit, weil die Gefahr, daß Mumia Abu-Jamal aus politischen und rassistischen Motiven hingerichtet wird, zugenommen hat.

Die Gerichte haben bislang die Akten des Verfahrens von allen Unschuldsbeweisen »sauber« gehalten und jede Anmahnung von Fairneß und Rechtsstaatlichkeit mit Beschlüssen beantwortet, die jeder für sich genommen eine erneute Rechtsbeugung darstellen.

Die im Dezember 2001 von Bundesrichter Yohn gefällte und bisher nicht in Kraft getretene Entscheidung, eine neue Jury solle über das Strafmaß entscheiden, bedeutet keine Gerechtigkeit für Mumia. Vielmehr sollte sie der weltweiten Bewegung gegen die Todesstrafe vortäuschen, die Gefahr der Hinrichtung sei gebannt, und damit die Proteste befrieden. Gleichzeitig sollte das rechte Lager, sollten die Verfechter einer strengen Staatssicherheit und die rechtsgerichtete Polizeigewerkschaft FOP in den USA beruhigt werden. Bis heute denken viele Menschen, Yohns Beschluß sei umgesetzt und Mumia Abu-Jamal nicht mehr in Todesgefahr. Viele wähnen ihn im Regelvollzug für lebenslang Inhaftierte, manche sogar in Freiheit. Doch das ist falsch. Mumia sitzt nach wie vor in der Todeszelle.

Am 8. Oktober 2003 hat der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania – also das höchste Staatsgericht des Bundesstaates – weitere Anträge der Verteidigung abgelehnt, die Mumia Abu-Jamals Aussage belegen: »Ich habe den Polizeibeamten Daniel Faulkner nicht erschossen. Ich habe mit seiner Ermordung nichts zu tun. Ich bin unschuldig.« Dazu gehört u. a. die eidliche Aussage der Gerichtsstenografin Terri Maurer-Carter, die bezeugt, Richter Albert Sabo, der das Todesurteil gegen Mumia Abu-Jamal gesprochen hat, habe 1982 in einer Prozeßpause gesagt: »Ich werde [der Anklage] dabei helfen, den Nigger zu grillen«.

Abgelehnt wurde ferner der Antrag, Arnold Beverly gerichtlich zu vernehmen, den Mann, der aussagt, er und nicht Mumia Abu-Jamal habe den Polizisten erschossen.

Diese neuen Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes von Pennsylvania sind nur ein weiteres Glied in einer Kette von rassistisch und politisch motivierten Entscheidungen, die letztlich das Ziel des Establishments von Pennsylvania erreichen sollen: den unliebsamen Kritiker Mumia Abu-Jamal endgültig zum Schweigen zu bringen, der wegen seiner engagierten Berichterstattung als Radiojournalist gegen Rassismus und Polizeibrutalität vielen schon lange ein Dorn im Auge gewesen war. Die Justiz hat sich mit bewußt gefälschten Beweisen zum Handlanger gemacht, einen Korruptionsskandal zu decken, in den weite Kreise der Polizei, der Justiz und politischer Repräsentanten verwickelt sind.

Rassistische Richter, rassistische Staatsanwälte und ein politischer Wille zur Lynchjustiz – Mumias Verurteilung zum Tode war kein tragischer Justizirrtum, und wir dürfen nicht darauf vertrauen, daß dieses System ihm freiwillig Gerechtigkeit zukommen läßt.

Und so läßt auch Mumias neuer Hauptverteidiger Robert R. Bryan keinen Zweifel daran, wie wichtig die enge Zusammenarbeit zwischen Verteidigung und Solidaritätsbewegung ist: »Wir können nicht siegen, wenn wir nicht auch die Gerichte anrufen, diese US-Gerichte, die äußerst rassistisch sind und absolut voreingenommen. Wir müssen aber realistisch sein und uns klar machen, daß die Arbeit der Anwälte zwar von großer Bedeutung ist, aber es muß eine enge Beziehung geben zwischen den juristischen Schritten und dem Handeln der Solidaritätsbewegung. Ich kann als Anwalt nicht ohne eure Unterstützung gewinnen.«

Das »Bundestreffen der Mumia-Abu-Jamal-Unterstützungskomitees« sieht sich als Teil der internationalen Kampagne für das Leben und die Freiheit von Mumia Abu-Jamal. 1995 als Zusammenschluß von lokalen und regionalen Initiativen gegründet, ist diese Struktur ein wichtiger Bestandteil der Kampagne. Mit bisher drei bundesweiten Großdemonstrationen und vielfältigen Aktionsformen sowie kontinuierlicher Informationsarbeit trägt sie dazu bei, die Zusammenarbeit von »Stadt und Land« zu stärken.

»Das ›Bundestreffen der Mumia-Abu-Jamal-Unterstützungskomitees‹ sieht seine Aufgabe darin, verantwortlich dafür zu sorgen, daß die Öffentlichkeit und nicht im Bundestreffen organisierte Kräfte der Kampagne informiert werden und Gelegenheit erhalten, sich an Aktivitäten zu beteiligen oder eigene zu entfalten.«

Angesichts einer internationalen Lage, die von dem Versuch, eine neue kapitalistische Weltordnung durchzusetzen, geprägt ist, geht es bei unseren Auseinandersetzungen mit bestimmten Phänomenen der US-amerikanischen Gesellschaft – wie dem rassistischen Justiz- und Gefängnissystems und der Todesstrafe – darum, die Kampagne für Mumia Abu-Jamal auch in den größeren Zusammenhang des Kampfes um die Menschenrechte und für die Garantien des Völkerrechts zu stellen.

Die neokoloniale Aufteilung des Nahen und Mittleren Ostens, die Eroberung der Energieressourcen zur Sicherung der herrschenden Wirtschaftsordnung gehen Hand in Hand mit der Einschränkung der Menschen- und Bürgerrechte. Die Kampagne für Mumia ist Teil des internationalen Kampfes der weltweiten Widerstandbewegungen gegen kapitalistische Globalisierung, Ausbeutung und Krieg.

So waren unsere Parolen »No War – Free Mumia«, »Freiheit für alle politischen Gefangenen«, »Weg mit der Todesstrafe« u. a. auf vielen Antikriegsdemos und Aktivitäten gegen die kapitalistische Globalisierung präsent. Antifaschistische und antirassistische Bewegungen beteiligen sich schon seit Jahren an unseren Aktionen. Anläßlich des Verschmelzungskongresses der Ost- und Westverbände der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) im Oktober 2002 in Berlin ernannten die Delegierten Mumia Abu-Jamal zu ihrem Ehrenmitglied. Schon 2001 war Mumia für sein Eintreten gegen Krieg und Unterdrückung mit dem Lübecker Erich-Mühsam-Preis ausgezeichnet worden.

Die Kampagne für Mumia ist gekennzeichnet von dem Gedanken der internationalen Solidarität und steht in der Tradition von den weltweiten Bewegungen für das Leben und die Freiheit von Sacco und Vanzetti (1927), Ethel und Julius Rosenberg (1953) und Angela Davis (1972). Vor dreißig Jahren war es Angela Davis, die vor der Verurteilung zu lebenslanger Haft oder gar der Todesstrafe gerettet wurde. Als Kämpferin gegen Rassismus, Vietnamkrieg und Gefängnissystem war sie verhaftet und wegen Gefangenenbefreiung angeklagt worden. Nur eine große internationale Solidaritätsbewegung konnte sie vor der sicheren Verurteilung retten. Nun ist sie es, die sich aktiv für Mumias Freilassung einsetzt. Stellvertretend für ihn nahm sie am 4. Oktober 2003 beim offiziellen Festakt zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Paris an Mumia Abu-Jamal die Ernennungsurkunde von Bürgermeister Delanoë entgegen.

In diese Tradition stellen wir unseren Aufruf, Mumia Abu-Jamal zu befreien. Denn er bedeutet vor allem, gemeinsam mit Mumia für eine Welt ohne Krieg und Ausbeutung, Rassismus und Todesstrafe zu kämpfen.

Durch seine politische Arbeit als Journalist und Autor ist er wegweisend. Er war einer der Erstunterzeichner des Aufrufs »Not in our name!« gegen den Irak-Krieg. Er, der sich nie als Einzelfall gesehen hat und das Privileg einer relativ großen Öffentlichkeit für seinen Fall immer dazu genutzt hat, auf die Situation aller anderen Gefangenen in den Todestrakten und die Situation der über zwei Millionen Gefangenen im US-Gefängnissystem hinzuweisen, fordert auch durch seine Artikel, Redebeiträge und Bücher eine Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Entwicklung. Trotz seiner absolut beschränkten Handlungsmöglichkeiten im Todestrakt ist Mumia Abu-Jamal einer der Repräsentanten der Bewegung gegen Krieg und Todesstrafe.

Er sagt: »Wenn wirklich noch jemand an die Macht der Demokratie glaubt, dann sollte die jetzige Zeit das Aufblühen einer Antikriegsbewegung hier und überall auf der Welt markieren. Wir stehen nicht am Ende, sondern am Anfang dieser Entwicklung. Bewegungen sind wie alle sozialen Beziehungsgeflechte einem ständigen Auf und Ab unterworfen. Aber laßt euch nicht entmutigen. Gebt nicht auf. Ganz im Sinne des ermordeten Arbeiterführers Joe Hill: ›Trauert nicht – organisiert euch!‹«

Setzt euch dort, wo ihr aktiv seid, für Mumias Leben ein. Verbreitet den Aufruf (S. 8), fordert bei Aktionen gegen Sozialabbau und Krieg auf Transparenten auch die Freilassung von Mumia Abu-Jamal und die Abschaffung der Todesstrafe. Macht Mumia Abu-Jamal zum Ehrenmitglied in euren Organisationen und bildet Mumia-Abu-Jamal-Aktions- und Solidaritätskomitees in Schulen, Universitäten, Betrieben, Organisationen, Parteien, Zentren etc., die sich regional und im Bundestreffen vernetzen!

Bundestreffen der Mumia-Abu-Jamal-Unterstützungskomitees

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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