Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: marxismus und soziale bewegungen, Beilage der jW vom 29.06.2005

Was zu verändern ist

Sozialer Protest und Widerstand befördern die theoretische Debatte
Von Arnold Schölzel

Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz von junge Welt, Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde sowie Cuba Sí im Januar dieses Jahres in Berlin schilderte Ivan Morales aus Bolivien, in welche Depression die linke Politik und die linken Intellektuellen seines Landes nach 1990 verfallen waren. Mit der Beseitigung der sozialistischen Länder in Europa und der Auflösung der Sowjetunion schien Marx zum alten Eisen gelegt, die Frage nach einer sozialistischen Veränderung für geraume Zeit nicht beantwortbar, der politische Einfluß der Linken bedeutungslos. Das hat sich in Bolivien geändert. Morales berichtete, wie es geschehen konnte, daß aus Initiativen der Bevölkerung, aus lokalen Protesten und handfestem Widerstand z. B. gegen die Beseitigung einer kommunal gelenkten Wasserversorgung eine Bewegung entstand, die Politiker und Theoretiker dazu zwang, neu über den Marxismus nachzudenken, sich der notwendigen Veränderung der Gesellschaft zu stellen und schließlich die Übernahme der politischen Macht ins Auge zu fassen.

Bolivien ist nicht überall, die Entwicklung der »Bewegung zum Sozialismus« ist nicht die Regel, aber sie ist weltweit längst keine Ausnahme mehr. Weniger als ein Jahrzehnt nach dem triumphal verkündeten »Ende der Geschichte« im Reich von Helmut Kohl, Margaret Thatcher, George Bush und ihren Nachfolgern sind Forderungen nach einer anderen Politik weltumspannend geworden. Wer, um einen Satz von Peter Hacks aufzugreifen, seine Kunden erst umbringt, um sie dann auf der ganzen Welt zu suchen, verfolgt kein besonders erfolgversprechendes Konzept. Wer elementare soziale Funktionen des Staates abschafft mit der Behauptung, den Sozialstaat retten zu wollen, kann erleben, daß er vorfristig das Handtuch werfen muß.

Das ist noch nicht viel, das ist längst nicht soviel Änderung wie nötig, es besagt aber auch: Die belächelten Montagsdemonstranten, die totgeschwiegenen Arbeitsloseninitiativen, die mitleidig behandelten Initatoren von lokalen Sozialforen, die im Juli das erste deutsche Sozialforum in Erfurt veranstalten – sie haben einen wichtigen Anteil am bevorstehenden Kanzlersturz. Die Ohrfeige für das Projekt eines militärgeilen und sozial barbarischen Europa in Frankreich und den Niederlanden entspricht der Nachhilfe beim Abgang des Duos Schröder/Fischer gegen eine scheinbar übermächtige Medienmacht und entgegen dem Mythos vom nationalen Konsens, in dem »das Militärische enttabuisiert« und das Soziale zur vernachlässigenswerten Größe minimiert werden sollte.

Es ließe sich sagen: Imperialismus funktioniert nicht, er hört aber nicht von allein auf zu funktionieren. Was daraus zu schlußfolgern ist, was zu verändern ist, darüber sollte debattiert werden. Die Texte dieser Beilage liefern vielleicht dazu einen Beitrag.

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