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Aus: die fremden streitkräfte, Beilage der jW vom 01.03.2006

Kampfauftrag: kein Krieg

Vor 50 Jahren begann die Geschichte der ersten Friedensarmee in der deutschen Militärgeschichte. Sie endete unvorhergesehen, aber ebenfalls friedlich, und hinterließ bemerkenswerte Spuren
Von Von Peter Rau

Der 1. März – Tag der NVA, der Nationalen Volksarmee der DDR. Lang, lang ist’s her. Aber lange noch nicht vergessen, denn immerhin haben wenigstens zweieinhalb, wenn nicht gar drei Millionen DDR-Bürger seinerzeit freiwillig oder wehrpflichtgemäß, auf Jahre und Jahrzehnte hinaus oder zeitweise dieser Armee ihr Gesicht gegeben. Was im Jahr 1956 begonnen hatte, endete nach 34 Jahren, sieben Monaten und einem Tag umständehalber, aber friedlich. Wie sich das für eine Armee des Volkes und des Friedens geziemt. Und wie der Untergang jenes Staates, zu dessen Schutz sie einst aufgestellt worden war, ist sie in die Weltgeschichte eingegangen – als Fußnote.

Oder auch nicht: Die schußlos obsiegende Bundeswehr mit ihren gestandenen »Staatsbürgern in Uniform« und »Soldaten in der Demokratie«, die die Reste der ungeschlagen geschlagenen Armee übernahmen, hatte für die Angehörigen der NVA, nachdem sie am 2. Oktober 1990 auch noch trophäenmäßig deren letzten Truppenfahnen eingesackt hatten, ein besonderes Abschiedsgeschenk parat: den Stempel »Gedient in fremden Streitkräften«. Damit ist die bisher einzige deutsche Armee, die nie fremdes Territorium unter ihre Stiefel genommen und nie einen Krieg geführt hatte, militärisch kurz und bündig aus der deutschen Militärgeschichte herausmanövriert worden.

Das mag viele der so Abgestempelten bitter betroffen machen, es steckt jedoch mehr als nur ein Körnchen tröstlicher Wahrheit in diesen vier simplen Worten. (Die eventuellen rentenrechtlichen Konsequenzen, so böse sie im Einzelfall auch sein mögen, muß ich in dem Zusammenhang mal unbeachtet lassen.) Die Abqualifizierung der DDR-Streitkräfte als »fremde Streitkräfte« durch die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bundeswehr beweist schließlich genaugenommen nur: Sie haben den Charakter dieser Truppe nicht verstanden.

Eine Armee, die keinen Krieg in den Stiefeln hat, die Krieg verhindern will, ist ihnen fremd. Eine Armee, die einem potentiellen Angreifer auf Militärparaden die Instrumente zeigt und gewissermaßen mit dem Säbel rasselt, um keine Säbel ziehen zu müssen. Eine Armee, in der einfache Arbeiter höchste Kommandostellen bekleiden. Eine Armee, die nicht die Wehrmachtstradition hochhält. Eine Armee, die von gestandenen Antifaschisten, von Leuten, die gegen Hitler und Nazideutschland Widerstand leisteten, aufgebaut und in diesem Sinne fortentwickelt worden ist. Eine Armee, die Feinden von einst Freund und Waffenbruder war. Eine Armee gar, die von einer Partei »instrumentalisiert« wurde, deren erster Mann den »Sinn des Soldatseins im Sozialismus« darin sah »zu verhindern, daß die Waffen sprechen«. Eine Armee, die auf einen Staat eingeschworen war, der Frieden meinte, wenn er Frieden sagte.

Wer eine solche Armee nicht versteht, der muß folglich anders gestrickt sein. Wem eine solche Armee fremd vorkommt, der bestätigt damit nur: Alles, was die NVA war, das alles ist die Bundeswehr nicht. Und da kann einer als »Gedienter in fremden Streitkräften« doch ziemlich stolz drauf sein. Ich jedenfalls bin es.

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