Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: uni-spezial, Beilage der jW vom 28.11.2007

Aus der Defensive kommen

Die studentischen Massenproteste sind abgeflaut. Doch ein Teil der Linken formiert sich neu und will dabei auch an die Bewegung der 68er anknüpfen
Von Jonas Rest und Sebastian Wessels
»Wir sind die Macht« – ein Plakat des »Atelier Populaire«, das a
»Wir sind die Macht« – ein Plakat des »Atelier Populaire«, das auf dem Höhepunkt der Proteste im Mai 68 in Frankreich produziert wurde

Die Protestbewegung an den Hochschulen ist derzeit in der Defensive. Trotz Demonstrationen, besetzter Rektorate und blockierter Autobahnen sind mittlerweile in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hessen, dem Saarland, Nordrhein-Westfalen und Hamburg allgemeine Studiengebühren eingeführt worden. Auch die Versuche, sie durch Boykotte wieder zu Fall zu bringen, sind bislang weitgehend gescheitert – wenngleich in einigen Bundesländern in diesem Semester ein neuer Versuch unternommen werden soll (siehe Seite 2).

Der neoliberale Umbau der Hochschulen, insbesondere der erhöhte Leistungsdruck, die abnehmende Dauer und die steigenden Kosten eines Studiums, die Studierende dazu zwingen, noch mehr Zeit für ihren Lebensunterhalt aufzuwenden, stellen die Linke an den Hochschulen vor enorme Probleme. Langjährige Aktive hört man schon mal resigniert von den »angepaßten« Bachelor-Studierenden sprechen, denen die Anwesenheitsliste wichtiger als die Vollversammlung ist. Die Zeit stellte schon im vergangenen Jahr fest: »Kaum eine Generation war so angepaßt wie die der heute 20- bis 30jährigen.«

Dasselbe wurde allerdings auch schon von der 68er Generation behauptet. 1961 hatten Jürgen Habermas und andere in einer Untersuchung für das renommierte Frankfurter Institut für Sozialforschung festgestellt, daß 66 Prozent der Studenten »apolitisch« und 16 Prozent »autoritätsgebunden« seien. Gerade einmal 19 Prozent seien »definitive Demokraten«. Wenige Jahre später wurden viele von den vermeintlich apolitischen Studierenden Teil der bislang einflußreichsten studentischen Bewegung in der Geschichte der Bundesrepublik.

Auch wenn seit einem Jahr keine Massenproteste gegen Studiengebühren mehr stattfinden – nur mit einem flüchtigen Blick kann man zu dem Ergebnis kommen, daß die kritischen Potentiale an den Universitäten in der Versenkung verschwunden seien. Die »angepaßten« Studierenden beteiligten sich zu Tausenden an den G-8-Protesten im Juni 2007. Durch ihre Masse und Entschlossenheit beim Blockieren der Zufahrtswege zum Tagungsort Heiligendamm überraschten sie Staatsmacht und Organisatoren gleichermaßen. Um den G-8-Gipfel formierte sich gewissermaßen der größte bundesweite Studentenprotest der vergangenen Jahre.

Gleichzeitig begann ein Teil der Linken an den Hochschulen, sich neu zu organisieren. Wenige Wochen zuvor hatte sich der neue linke Studierendenverband Die Linke.SDS gegründet, in dem ein breites Spektrum der studentischen Linken vertreten ist – von Hochschulgruppen der ehemaligen PDS, über die der neu gegründeten WASG, die Campus-Vernetzung von ATTAC und das Bündnis linker und radikaldemokratischer Hochschulgruppen (LiRa) bis hin zum linken Juso-Spektrum. Wenn Die Linke.SDS vom 30. November bis 2. Dezember in Leipzig zum ersten Bundeskongreß seit der Gründung zusammenkommt, werden Delegierte aus 40 bis 50 Hochschulgruppen dabeisein (siehe Seite 7).

Eine bundesweite, kampagnenfähige linke Organisation kann für lokale Kräfte in Zeiten steigenden Prüfungs- und Leistungsdrucks eine entscheidende Stärkung bedeuten. Mit abgestimmten Kampagnen könnte der neue Studierendenverband dazu beitragen, die föderale Zersplitterung zu überwinden – eine zentrale Schwäche der studentischen Linken.

Im Zuge des Umbaus der Hochschulen zu Dienstleistungsunternehmen bis hin zur »Eliteuni« gerät kritische Wissenschaft immer häufiger unter Beschuß (siehe Seiten 4, 5 und 8). Was heute häufig in Vergessenheit gerät: Lehrstühle kritischer Wissenschaftler, wie etwa derjenige von Frank Deppe in Marburg, waren einst von studentischen Bewegungen erkämpft worden. Eine »neue Unterstützung bei der Verankerung erneuerter kritischer Wissenschaft und marxistischer Theorie an den Hochschulen« erhoffen sich daher zahlreiche linke Akademiker, die in einem offenen Brief die Gründung des linken Studierendenverbandes unterstützten – darunter neben Deppe zahlreiche weitere kritische Wissenschaftler, die vormals im SDS aktiv waren, wie etwa Elmar Altvater und Alex Demirovic.

Der CDU-Studierendenverband RCDS warnte wenige Tage nach der Gründung des Linke.SDS: »Damit erreicht die Formierung der radikalen Linken an unseren Universitäten eine neue Dimension. Was es – auf häufig destruktive und manchmal sogar gewalttätige Art und Weise – bisher an linkem Aktionismus an unseren Hochschulen gab und gibt, erreicht nun einen ungekannten Organisationsgrad.« Ob die hohen Erwartungen des RCDS erfüllt werden können, bleibt abzuwarten.


Die Plakate, die dieses uni-spezial bebildern, wurden kollektiv von Kunststudenten, unabhängigen Malern und streikenden Arbeitern in der besetzten Kunsthochschule gestaltet, gedruckt und verteilt. Sie waren bei den Barrikaden sichtbar, wurden auf Demonstrationen getragen und in ganz Frankreich während der Proteste im Mai 68 auf Mauern plakatiert.

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