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Aus: land & wirtschaft, Beilage der jW vom 06.08.2008

Unaufhaltsamer Beutezug?

Eine französische Dokumentation zeigt, wie sich der Saatgutmulti Monsanto mit Gift und Genpatenten die Welt untertan macht – ungebremst von der Politik. Andere tun es ihm gleich
Von Jana Frielinghaus
Felder in Neuendorf (Mecklenburg-Vorpommern)
Felder in Neuendorf (Mecklenburg-Vorpommern)

Wer Marie-Monique Robins große Dokumentation über den Monsanto-Konzern gesehen hat, kommt in Versuchung, zum Verschwörungstheoretiker zu werden. Dabei präsentiert die Journalistin und Regisseurin ausgesprochen nüchtern nur diejenigen Skandale, über die sie notfalls detaillierte Unterlagen vorlegen kann. Allein im Agrarsektor gibt es viele weitere Multis, die mit ähnlicher Machtfülle ausgestattet sind. So ist hierzulande von den »six gene giants« die Rede: Neben Monsanto gehören BASF Plant Science, Bayer Crop Science, Syngenta, Dow Chemical und Pioneer dazu. Dabei ist Monsanto unangefochtener Marktführer auf diesem Gebiet. Für 90 Prozent der weltweit angebauten gentechnisch veränderten Organismen (GVO) hat der US-Konzern die Patente inne.

Die Zahl der Monsanto-Verbrechen ist kaum mehr zu überblicken. In Anniston, Alabama, sind beispielsweise Tausende an Krebs erkrankt. Dort produziert das Unternehmen bis heute den in der Chemieindustrie verwendeten hochgiftigen Stoff PCB. Im Vietnamkrieg, auch davon wird im Film berichtet, wurde ein von Monsanto produziertes Herbizid unter dem Namen »Agent Organge« weltbekannt, mit dem die US-Armee Wälder entlaubte und Reisernten vernichtete. Das erbgutschädigende Gift sorgt in Vietnam bis heute dafür, daß jedes Jahr Tausende schwerstbehinderter Kinder geboren werden.

Heute konzentriert sich Monsanto darauf, weltweit die Kontrolle über die Nahrungsmittelerzeugung zu gewinnen. Von 1995 bis 2005 hat das Unternehmen 50 große Saatgutfirmen aufgekauft, so den Branchenführer in Indien. Die Folge: Die meisten Bauern in dem Land haben heute überhaupt keinen Zugang zu konventionellem, also gentechnikfreiem Baumwollsaatgut mehr. Sie bekommen nur noch die gentechnisch veränderte, viermal so teure Bt-Baumwolle. Die Firma versprach, mit dem neuen Saatgut werde der Pestizideinsatz um 80 Prozent sinken und der Ertrag um 30 Prozent steigen. Nichts von dem geschah. Statt dessen traten bis dahin unbekannte Krankheiten auf. Die Folge: Höhere statt geringere Pestizidkosten, sinkende Erträge.Tausende Bauern wurden in den Ruin getrieben, jedes Jahr nehmen sich mehr als 600 das Leben.

Nur ein Beispiel von vielen im Film, der unter anderem belegt, daß GVO in den USA auf den Markt kamen, ohne je einem ernstzunehmenden wissenschaftlichen Test unterzogen worden zu sein. James Maryanski, Sprecher der Food and Drug Administration, der zuständigen Behörde, bestätigte dies vor laufender Kamera. Jene verantwortungslose Laissez-faire-Haltung von Politik und Behörden den Herstellern von GVO gegenüber findet sich auch in der Bundesrepublik. So untersagte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) noch im Frühjahr 2007 den Anbau von Mon810, einer von Monsanto entwickelten Genmaissorte. Grund dafür war ein fehlender Monitoring-Plan zu den Umweltauswirkungen des Anbaus. Ohne, daß sich daran etwas geändert hatte, wurde das Verbot jedoch bereits im Dezember wieder aufgehoben. Die EU-Kommission hat zudem Anfang Mai 2008 beschlossen, daß Länder, in denen noch ein Importverbot für Genmais besteht, die Einfuhr von Mon810 zulassen müssen, um keine »wissenschaftlich unbegründeten« Handelsschranken aufzubauen.

Was tun? Marie-Monique Robin sieht als einzige Waffe gegen die Macht der Genmultis den Boykott ihrer Produkte. Daß die Verbraucher sich massenhaft gegen Genprodukte entscheiden, ist angesichts der begrenzten Öffentlichkeitswirksamkeit alternativer Dokumentationen jedoch wenig wahrscheinlich.

Der Markttotalitarismus unserer Tage kommt ganz ohne Verschwörungen aus. Einschüchterung, Bestechung, Desinformation – und Förderung der menschlichen Gier sind die altbewährten Werkzeuge, derer sich die Global Player bedienen. Auch Monsanto hat Hunderttausende Kleinaktionäre, die Vorstand und Aufsichtsrat applaudieren, wenn sie für die Maximierung der Rendite große Teile der Weltbevölkerung ihrem Diktat unterwerfen und Leben und Gesundheit von Millionen zerstören.

Die im März im Fernsehsender Arte ausgestrahlte Dokumentation »Monsanto – Mit Gift und Genen« von Marie-Monique Robin (F 2007, 107 min) ist im Juli bei Absolut Medien auf DVD erschienen. Sie kann zum Preis von 19,90 Euro bestellt werden: www.absolutmedien.de (ISBN: 978-3-89848-959-1).

Weitere Informationen zum Thema Gentechnik und Patente: www.gen-ethisches-netzwerk.de; www.kritischer-agrarbericht.de; www.keine-gechnik.de

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